Heute sollen es 32km werden, die von Cahors, durch die Landschaft der Quercy Blanc führt, den letzten Zuckungen des Zentralmassivs. Cahors, diese nette, quirlige Stadt, die mir gestern so viel Spaß gemacht hat, ist schnell hinter mich gebracht. Ein steiler Weg führt vomTal des Lot hinauf auf die Hochebene, auf der es dann über Stunden nur sanft rauf und runter geht. Es ist eine kärglich besiedelte Gegend. Bauernland. Und auch Wanderer sehe ich ganz wenige. Dabei fällt mir auf, daß sich in den letzten Tagen mit den Wanderern, die im gleichen Etappenmodus unterwegs waren wie ich eine Art sozialer Zusammenhang gebildet hatte, auch wenn ich wenig gesprochen habe, weil es zumeist Franzosen sind, die unterwegs sind. Aber du weißt in etwa, wann wer losgeht, wann du wen einholst und wer mit wem wandert. Man grüßt sich, wenn man sich trifft und ist irgendwie connected. Und so sehr ich ja auch auf die mitwandernde Mittelschicht schon geschimpft habe. Nun fehlen sie mir irgendwie doch, was ja kein Widerspruch sein muß. Also nicht wirklich. ☺
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Archiv des Autors: toniturek
61. Etappe: Livinhac-le-haut – Cahors
Die Nacht war wieder mit Gewitter und Starkregen nicht ganz so leise, wie das in dieser ländlichen Gegend sein sollte, weshalb ich mich nicht ganz ausgeschlafen und in klammen Klamotten auf den Weg machte. Es ging wieder aus dem Flußtal, des Lot, hoch auf die Ebene. Nachdem ich im Trockenen losgelaufen bin, hat auch der Regen wkeder eingesetzt und hält sich bis mittags. Nach einer kurzen Einkehr in einem aire de pick-nick, einer Kombination aus Heckenwirtschaft und öffentlicher Sitzgelegenheit, klarte es auf und es zeigten sich blaue Flecken im grauen Himmel. Das gibt der Landschaft natürlich direkt einen anderen Glanz und die Weitsichten sind herrlich, auch wenn ich an der schieren Höhe merke, daß das Thema Massif Central, das mich ja nun seit dem Haute Beaujolais begleitet, also seit einem knappen Monat, sich dem Ende nähert. Das finde ich nicht wirklich schade, weil ich mal wieder was anderes an Landschaft und Gegend sehen und erleben will. Gasgogne, Baskenland und dann, endlich Spanien. All das geht mir durch den Kopf, während ich mich durch regenfeuchte und verschlammte Pfade arbeite, die zum Teil höllisch glittschig sind. Trotzdem komme ich anscheinend gut voran, denn ich bin bereits nach fünf, statt der avisierten sechseinhalb Stunden im Ziel. Ficeac. Ein kleines Städtchen mit ein paar Tausend Einwohnern und deren größtes Verdienst ist es die Geburtsstadt des Herrn Champollion, der die Hieroglyphen entzifferte, zu sein.
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60. Etappe: Conques – Livinhac-le-Haut
Wenn es brennt an der Ruhr… Das war heute das Motto des Tages, weil ich nach all der Gegend mal wieder in ein Städtchen, geprägt durch die Montanindustrie kommen sollte. Und da ich ja nun schon ein wenig älter bin und hier und da was mit Struktur- und Industriepolitik zu tun habe, erinnere ich mich gerne an die Konferenz der Jusos, die sich um den Wandel im Ruhrgebiet Ende der 80er Jahre drehte. Lang, lang ist das her. Aber der industrielle Wandel wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen und wir sind gut beraten, die Erfahrungen vergangener Zeiten aufzunehmen. Denn wir sind nicht die ersten, denen die Rohstoffe ausgehen. Schon im Mittelalter kamen Gruben zum Erliegen, weil sich Vorräte erschöpft hatten und da sich Hinz und Kunz drauf verlassen hat, daß es schon so weiter geht, kam es zur Katastrophe. Technologischer Fortschritt hat dann immer einen Weg aus der Katastrophe gezeigt, war aber immer mit schmerzhaften Veränderungen verbunden. Die Wunden sieht man teilweise heute noch.
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59. Etappe: Golinhac – Conques
Der Abschied vom Chalet ist schon schwer gefallen. Dieses kleine Haus, in dem ich mich sofort wohlgefühlt habe, schon nach einer Nacht und noch dazu bei arg bescheidenem Wetter, wieder räumen zu müssen und mich auf den Weg zu machen, war schon blöd. Es ist nämlich nicht immer so ganz einfach, Tag für Tag seinen Rucksack zu packen und weiterzuziehen, sondern die Frage nach dem Warum stellt sich schon oft und vielleicht immer öfter je länger man von zu Hause weg ist. Das hat natürlich auch damit zu tun, daß ich weder wegen Ablaß noch aus anderen religiösen Gründen unterwegs bin. Ich bin unterwegs, weil ich schon als Kind davon geträumt habe, mit so wenig Gepäck wie möglich abzuhauen. Nun bin ich nicht abgehauen, aber 12Kilo sind nun nicht viel Gepäck für den Weg. Und auf den Jakobsweg hab ich mich schlicht deshalb gemacht, weil er durch interessante Landschaften und coole Weingegenden führt und ich einfach immer nur der Muschel hinterherlaufen muß. Das scheint mich von vielen anderen Leuten zu unterscheiden, die da unterwegs sind. Und heute wird das besonders deutlich, weil das Etappenziel mir nichts sagt, aber für viele französische PilgerInnen das Ende von 10 Tagen Wanderurlaub, ähh Pilgern sind. Sagt man, weil es danach in den Unterkünften nicht mehr so voll sein soll.
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58. Etappe: Espalion – Golinhac
Ich übernachte in einem Chalet, allerdings nicht in einem aus Stein, sondern in einer Hütte, gebaut in Leichtbauweise auf dem Campingplatz in Golinhac. Trotz des etwas großkotzig anmutenden Namens liebe ich diese Dinger, die anderswo schlicht Mobil-Homes heißen, obwohl sie nicht mobil sind oder gerade unter der Überschrift „Tiny Houses“ Karriere als Lösungen für alle möglichen Siedlungsprobleme gehypt werden. Es ist im Zielort und bei dem herrschenden Wetter die coolste Form ein Dach über den Kopf zu bekommen, ohne in einer dieser Massenunterkünfte einchecken zu müssen. Die ist allerdings auch auf dem Platz und die dort Untergebrachten werden gerade in der Campingplatzkneipe verköstigt, während ich demonstrativ an der Theke sitze. Und ich beglückwünsche mich nochmal zu meiner Entscheidung. Das sind definitiv nicht meine Leute.
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57. Etappe: St-Chely-d’Aubrac – Espalion
Heute geht es dann endgültig an die Ufer des Lot und damit ein paar Etagen tiefer als es auf den Hochebenen von Margeride und Aubrac ist. Wärmer könnte es damit auch mal wieder werden, weil ich nächtliche Temperaturen von acht Grad eines Juni für unwürdig halte. Mit dem Gedanken bin ich einigermaßen optimistisch los, auch wenn von vornherein die Regenmontur am Mann war. Zunächst führte der Weg zwar moderat bergauf, nur um danach stetig von 830hm auf 342hm berab zu gehen.
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56. Etappe: Nasbinals – St-Chely-d’Aubrac
Heut geht es Bergab. Rund 500Hm Richtung Tal der Lot. Das verspricht einige Fernsichten und interessante Blicke in die Tiefe. Vorher gehts in die Epicerie, die genauso Sonntagsmorgend aufhat, wie der Bäcker. Ich habe mich nämlich gegen das Petit Dejeuner im Hotel entschieden, weil mir dieses nur Süß schonmal auf den Keks geht. Also Obst gekauft, Jogurt und eine Scheibe gekochten Schinken, sowie einen Kräuterreibekuchen für mittags und beim Bäcker das mit Abstand beste Baguette des ganzen Frankreichsaufenthalts. Dann habe ich mir eine Bank gesucht, mich ausgebreitet und lecker gefrühstückt. Bis auf den Kaffee hat nichts gefehlt.
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55. Etappe: Aumont-Aurac – Nasbinals
In der Nacht hat es geregnet, folglich war das Zelt morgens noch nass. Aber die Sonne schien und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit bis es trocken ist. Und das war so der Punkt gewesen, wo ich gemerkt habe, daß es mit Gelassenheit und Geduld doch noch nicht so weit her ist. Was ist das langweilig. Da gibt es nämlich kein Campingplatzcafe wo man bei laufendem Fernsehen und stetem Kaffeenachschub gescheit warten kann. Es gibt nichts, außer auf dem geliehenen Stuhl zu hocken und zu warten, daß das Zelt trocknet. Und irgendwann ist es soweit und es kann endlich losgehen. Aber von einem gepackten Rucksack hatte ich immer noch keinen Kaffee. Der erste Boxenstopp war dann schon nach einem schlappen Kilometer beim örtlichen Bäcker, der mir mit einem Kaffee und einem Salamisandwich auf die Sprünge half.
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54. Etappe: St-Alban-sur-Limagnole – Aumont-Aurac
Heute heißt es Spazierengehen. Schlappe 14km und dann ist auch wieder gut. Mir kommt das gerade recht, weil mir der gestrige Zwischenspurt doch arg in den Knochen hängt. Die recht unterschiedlichen Etappenlängen hängen im Übrigen mit der regionalen Infrastruktur zusammen. Und manchmal gilt es eben 40km-Märsche zu vermeiden, weshalb dann schonmal so kurze Strecken herauskommen. Sei es drum. Zeit zu schlendern und zu gucken. Das Auge schweift über sattgrüne Wiesen mit Rindviechern und knallgelb blühendem Ginster, zwischendurch ragt Gestein und nackter Fels aus dem Boden der sanftgewellten Landschaft. Es ist das Aubrac. Das hab ich vorher auch noch nie gehört, ist aber schön hier.
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53. Etappe: Saugues – St-Alban-sur-Limagnole
Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich habe die heutigen 33km in 7,5h inkl. zwei 20-minütiger Pausen runtergerissen. Und nun hock ich hier und bin immer noch ein bisserl geflasht, weil das für jemanden, der die Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen von einigen wohlmeinenden Oberstufenschülern quasi geschenkt bekommen hat, so schlecht nicht ist. Der im Wanderführer als geschäftig beschriebene Zielort ist enttäuschend ruhig, also sitze ich auf der Terasse der Dorfkneipe und schreibe vor mich hin.
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