57. Etappe: St-Chely-d’Aubrac – Espalion

Heute geht es dann endgültig an die Ufer des Lot und damit ein paar Etagen tiefer als es auf den Hochebenen von Margeride und Aubrac ist. Wärmer könnte es damit auch mal wieder werden, weil ich nächtliche Temperaturen von acht Grad eines Juni für unwürdig halte. Mit dem Gedanken bin ich einigermaßen optimistisch los, auch wenn von vornherein die Regenmontur am Mann war. Zunächst führte der Weg zwar moderat bergauf, nur um danach stetig von 830hm auf 342hm berab zu gehen.

Den Lot erreicht man bei St. Come de Olt, einem pittoresken Städtchen, wo mir zum ersten Mal, seit dem Elsaß, wieder zweinamige Straßennamen auffallen. Einmal und zwar groß werden die Straßen auf Okzitanisch benamt und darunter dann noch in französisch. Das liest sich a weng wie spanisch, ist aber eher mit dem Katalanischen verwandt. Nun bin ich also echt im Süden gelandet. Ich schlendere weiter am Ufer des Lot entlang und komme nach Espalion, dem heutigen Etappenort und mir begegnen die ersten Petanquespieler und auch die Vegetation hat sich irgendwie geändert. Das Wetter, das zwischendurch mal besser war, im übrigen nicht. Kurz vor Zieleinlauf hats wieder begonnen zu regnen. Also wieder nix mit Zelten. Langsam langt es. Die Zimmersuche gestaltet sich recht entspannt. An der Hauptstraße komme ich an einem zwei Sterne Hotel de France vorbei, etwas angestaubt, aber sauber und bezahlbar, was für den Einzelpreis von 48Euro gilt. Wenn dieser Klimawandel-Sommerversuch nämlich so weitermacht, läppert sich das unangenehm zusammen. Aber egal, das ist mein Weg und wenn ich hinterher sparen muß, kriege ich das auch hin.

So genieße ich erstmal mein Zimmer und wasche die Wanderklamotten aus, weil der Spruch vom sich selber nicht mehr riechen können schon seine Richtigkeit hat. Und dann will ich eigentlich los Städtchen gucken und mal überlegen, was ich wo heute abend esse, und dann bin ich auch wirklich los und es fängt an Katzen und Hunde zu regnen. Ich bin nur froh, daß ich mir eine lange Mittagspause geschenkt habe und wieder zügig gegangen bin, weil es schlechte Laune macht, bei so einem Wetter zu wissen, daß man noch ne Zeit unterwegs sein wird. Du kannst halt nicht wirklich beschleunigen und unterstellen ist auch wenig hilfreich, wenn du nichts reserviert hast, was viele ältere Wanderer nicht machen, weil sie insbesondere bei den langen Etappen nicht wissen, wann sie an die Box müssen. Meistens geht das gut, aber die Ungewißheit bleibt halt. Es gibt übrigens Gepäcktransportunternehmen, die sich auch darauf eingestellt haben und das Gepäck abends dahin liefern, wo es dich umhaut. Das ist irgendwie eine flexible Weiterentwicklung vom Ponyexpress.

Der Stadtrundgang wird gestrafft und ich komme in einem Cafe mit Boulangerie zu Sitzen und entdecke an der Herzhaft-Theke etwas Neues: eine geröstete Bauernbrotscheibe, bestrichen mit Kartoffelpürree (ohne Käse) und belegt mit Ziegenkäse. Das Ganze kommt nochmal in die MicroWave und eine zweite Brotscheibe und Kräuter obendrauf. Leckerst und auch zu Hause ist das wohl kein Problem. Wieder was gelernt.

Was war heute noch? Ahja, die Südafrikanerin. In meiner kurzen Mittagspause betritt eine ältere Frau die Bar, grüßt mit Hola und hat eine bunte Fahne am Rucksack. Was denkt der Mertens bei bunter Fahne und Spanisch? Mittel- oder Südamerika. Sie richtet dann auf Englisch das Wort an mich, um zu fragen, wie weit es denn noch sei und wir kommen ins Gespräch. Eher belanglos, woher, wohin, seit wann, aber was mich wirklich interessiert: Wie schaffen diese Frauen (einige Französinnen können das auch) unabhängig von den Höhenmetern im Auf und Ab, egal ob es regnet oder schneit, immer auszusehen wie aus dem Ei gepellt? Sie verzichten auf Funktionskleidung und tragen ihren Schmuck auch zu diesem Anlaß. Kein Schweißfleck zu sehen und kein verlaufenes MakeUp. Ein echtes Faszinosum. Die Dame ist den spanischen Jakobsweg schon gegangen und da sie kein französisch kann, schlägt sie sich mit Spanisch durch und geht nun von Le Puy nach Roncesvalles. Wahrscheinlich immer im Polohemd mit hochgeschlagenem Kragen. Hammer.

Ansonsten war das ein ruhiger Tag. Ich sitze jetzt drinnen und gucke zu, wie die Welt wegschwimmt, aber solange die Leute hier in der Bar ihre gute Laune behalten, bleibe ich optimistisch. Morgen ist zwar wieder nationaler Aktionstag gegen die neuen Arbeitsgesetze, aber ich glaube nicht, daß ich davon was mitkriege. Ich bin ja zu Fuß unterwegs.