65. Etappe: Mossiac – St-Antoine

Gott, bin ich fertig. Und wenn ich den Typen vom Wanderführer erwische, setzt es was. Ich bin nämlich acht Stunden bei Sonnenschein durch eine Landschaft gewandert, wie sie im Prospekt steht, habe den Tarn und die Garonne überschritten und bin nun in der Gascogne. Nix mehr Massiv Central, sondern sanfte Hügel… Hat der Wanderführer versprochen und ich Rindvieh lauf auch jeden Berg hoch, weil gaaanz tolle Blicke versprochen worden waren. Die gleichzeitig wandernden SeniorInnen, die vorsichtshalber schön am Kanal entlang getritschelt waren, sahen im Zieleinlauf auf jeden Fall deutlich besser aus wie ich. Vor lauter Hitze, körperlicher Anstrengung und Wasser besorgen, bin ich nichtmal dazu gekommen, mir über irgendwas ernsthafte Gedanken zu machen. Du bist dann einfach nur Mensch, wie seit vielen Jahrtausenden, damit beschäftigt, da durchzukommen, ohne Schaden zu nehmen. Auch ne Erfahrung.

Im Zielort lag dann, genau gegenüber der Bar, auch die Chambre, die ich im regen E-Mail-Kontakt mit dem englischen Eignerpärchen schonmal avisiert hatte. Das ist einfach schön mit diesen Engländern im Süden. Erstens kann ich mich mit denen sogar unterhalten, denk ich. Und zweitens richten die ihre Häuser genauso ein, wie in unseren Schöner-Wohnen Zeitungen ein typisches Haus im Midi denn auszusehen hat und schon fühlt der Mertens sich wohl. Abendessen gabs dann praktischerweise wieder in der BarBrasserieRestaurantBistro gegenüber.

Da hab ich den Rest von der Wanderkohorte wieder getroffen, weil die Unterkünfte im Ort wohl als Konjunkturprogramm für den Laden aufgehört haben, selber was zu machen, sondern ihre Gäste dahin komplementieren. Mir recht. Bei der Gelegenheit hab ich auch den Oberpfälzer, der übrigens Hans heißt, wieder getroffen. Ein wenig Unterhaltung bei Tisch ist ja auch schön. Das Essen dazu war passend auch lecker. Als Entree ein Salat mit Gurken und Tomaten mit körnigem Senf und Sahne angemacht. Ergänzend lagen dann zwei Melonenscheiben rum, die mit einem milden Balsamico angemacht waren. Hauptgericht war poulet a la creme, also Hühnergeschnetzeltes in Sahnesauce mit Kartoffeln. Nicht besonders originell, aber schmackhaft. Zum Kaffee hab ich mich dann wieder auf die Straße verzupft und noch zwei Bierchen nachgeschoben. Dann wars gut und ich mußte in die Heia.

Eigentlich. Da ich keine Bücher mehr habe (die kann ich nur bei einem halbwegs schnellen Internet runterladen) hab ich mich durch meine timeline gescrollt und die Nachrichten des Tages, eines Tages an mir vorbeiziehen lassen und eine tiefe Sorge hat mich dann um den Schlaf gebracht. Wie kann ein deutscher Bundespräsident mit einem Riesenapparat hintendran historisch so unsensibel sein und ausgerechnet am 75. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion die ehemaligen Verbündeten Nazideutschlands zu besuchen und auch noch einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten niederzulegen, wenn doch klar sein sollte, daß dieser Soldat an der Seite des Faschismus sein Leben ließ. Frau Merkel ruft am gleichen Tag nach mehr Geld für Kriegsgerät. In Hessen kündigt ein Landrat an, nicht mehr anzutreten, weil ihn die Polizei nicht gegen faschistische Hetze schützen kann und in Sachsen darf die Linke, also die Partei, die diesen Namen trägt, mit richterlichem Beschluß als terroristisch bezeichnet werden. In Frankreich versucht eine sozialdemokratische Regierung weiterhin gegen die politische Arbeiterbewegung und die sozialen Bewegungen ihre Hartz4-Gesetze durchzudrücken und versucht Demonstrationen zu verbieten. Die Briten entscheiden morgen über den Brexit. Ergebnis offen. Ich könnt kotzen, was ich aber nicht tue, sondern nur schlecht schlafe…