62. Etappe: Cahors – Montcuq

Heute sollen es 32km werden, die von Cahors, durch die Landschaft der Quercy Blanc führt, den letzten Zuckungen des Zentralmassivs. Cahors, diese nette, quirlige Stadt, die mir gestern so viel Spaß gemacht hat, ist schnell hinter mich gebracht. Ein steiler Weg führt vomTal des Lot hinauf auf die Hochebene, auf der es dann über Stunden nur sanft rauf und runter geht. Es ist eine kärglich besiedelte Gegend. Bauernland. Und auch Wanderer sehe ich ganz wenige. Dabei fällt mir auf, daß sich in den letzten Tagen mit den Wanderern, die im gleichen Etappenmodus unterwegs waren wie ich eine Art sozialer Zusammenhang gebildet hatte, auch wenn ich wenig gesprochen habe, weil es zumeist Franzosen sind, die unterwegs sind. Aber du weißt in etwa, wann wer losgeht, wann du wen einholst und wer mit wem wandert. Man grüßt sich, wenn man sich trifft und ist irgendwie connected. Und so sehr ich ja auch auf die mitwandernde Mittelschicht schon geschimpft habe. Nun fehlen sie mir irgendwie doch, was ja kein Widerspruch sein muß. Also nicht wirklich. ☺

Aber irgendwie sind es heute schon reichlich wenige Mitwanderer. Ich denke, daß hat was mit dem den Starttagen und -orten der Fraktion zu tun, die den Jakobsweg in Etappen wandert und dafür ihren Jahresurlaub nutzt. Die kommen Freitags oder Samstags im Startort an und gehen Samstags oder Sonntags los. Startorte sind Le Puy und Conques. Und ich bin jetzt, denke ich, irgendwie dazwischen gerutscht, was so schlecht auch nicht ist. Da bin ich mal wieder für mich.

Die Wege haben sich verändert, sind sandiger und steiniger. Braune Erde fehlt. Die Wäldchen durch die gehe sind niedriger, es gibt mehr Büsche und ich sehe sowas wie Erika, und muß an die Heide denken, aber das nenne ich hier wohl besser Garrique. Es ist auf jeden Fall mal was anders als das, was ich die letzten Wochen gesehen habe und mir gefällt es. Nach acht Stunden erreiche ich meinen Zielort, der mir auf den ersten Blick auch gefällt, aber als ich merke, daß die Unterkunft nochmal n Kilometer bergab zu finden ist, beschließe ich die nähere Begutachtung auf morgen zu verschieben. Morgen sinds eh nur 14km und ich muß auch mal wieder zum Friseur, da kann ich doch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Aaah, morgen ist Montag und montags haben Friseure zu. Alle. Fast alle. Mal gucken. Der freundliche Wirt bietet mir mitdenkenderweise auch sofort Halbpension an, die ich gerne annehme, weil ich dann heute wirklich das Haus nicht mehr verlassen muß. Alles gut. Duschen, aufs Bett, Ruhen. Und dann wird mal klar gemacht, auf welch dünnem Eis wir so gehen. Ich will nochmal was holen und gehe zurück ins Bad, und zack, häng ich erst waagerecht in der Luft und dann auf den Fliesen. Außer einem mit Sicherheit entstehenden blauen Fleck ist da nichts wirklich passiert, aber allein die Überlegung was hätte passieren können, lässt mich dankbar sein, daß es bisher so gut gegangen ist.

Gutgegangen ist auch das mit der Halbpension. Der junge Mann in der Küche gibt sich echt Mühe. Ein lecker Teller Suppe vorneweg. Basis Hühnerbrühe. Und dann das einpürrierte Gemüse mit Piment und Curry abgeschmeckt. Danach a weng was vom Lamm (und wenn das so auf der Karte steht, schneiden die ein Lamm klein bis nichts mehr da ist (naja so ungefähr) und servieren nicht wie in Deutschland nur den Lammrücken oder das Carree. Der Rest wird dann schlechtgekühlt von Bremen und Hamburg aus nach Afrika verschifft.) Ich finde diesen Umgang mit dem Fleisch hier einfach deutlich wertschätzender als in Deutschland und das gefällt mir sehr. Zum awengwasvomlamm gibts eine Polenta, die mit dem Gemüse drin auch solo eine Rolle spielen könnte. Zum Dessert ein Schokoladenkuchen, der mit frischen Kirschen und Kirschenkompott schön saftig wird.

Und dann, denk ich mir, ab aufs Zimmer, wegen Tatort. Aber, wieder mal ist Frankreich netztechnisch ein Ausfall. Das Wlan fühlt sich an, wie mit Zwanzig den Kabelanschluß vom Nachbar gekapert und die Satellitenverbindung endet auf E… Also Übertragungsgeschwindigkeiten wie mit der Brieftaube. Und das wirft für mich einen ganz anderen Blick auf die Netzdiskussion in Deutschland. Wir müssen da wirklich überlegen, was wir wollen und auch konsequent und zivilgesellschaftlich diskutieren, auch mit so Menschen wie mir, weil mir erst auf der Wanderung klar geworden ist, daß es entweder ein kommunal, regional, überregionales, aber eben dezentrales Netzwerk geben kann oder dem Mertens sein Smartphone, daß per zentralem Dienst bedient wird. Aber für eine Netzstrategie sollte man sich entscheiden. Das ist, für mich gefühlt so n Ding, als ob es um die Entscheidung zur Einführung von gelben Briefkästen und uniformierten BriefträgerInnen oder von irgendwelchen Botendienste vom Marathonläufer bis zum Rennsteigboten geht. Es hat eben auch was mit Teilhabe und Demokratie zu tun. Tja, wenn der tatort-sonntag ausfällt, und das in der Fremde und das im 21. Jahrhundert, wirds schonmal grundsätzlich.
Gute Nacht.