Im öffentlichen Diskurs wird weitgehend ausgeblendet, dass auch die digitale Transformation mit all ihrer Elektrifizierung, Automatisierung und Virtualisierung schlussendlich einen materiellen Kern hat. Dabei ist die Verfügbarkeit, Produktion und Verteilung dieses materiellen Kerns, der im Wesentlichen aus Metallen besteht, die zentrale Frage für ein nachhaltiges Gelingen der digitalen Transformation.
Diesem Themenkomplex breiteren Raum in der Debatte zu organisieren und ganz allgemein das gesellschaftliche „Metallbewusstsein“ zu steigern, war Gegenstand eines Workshops, der im Juli in Goslar unter Beteiligung von Branchen- und Berufsverbänden, Unternehmensvertreter*innen und Wissenschaftler*innen sowie Gewerkschaftern stattgefunden hat.
Den Einstieg in eine ausgesprochen konstruktive Veranstaltung leisteteein Vortrag, der auf die zunehmende Verunsichtbarung von Stoff, Wert und Arbeit abhob und dieses Verschwinden von Wahrnehmung am Beispiel des Smartphones durchdeklinierte.
- Die wenigsten Menschen beschäftigen sich damit, welche Stoffe/Metalle in ihrem Smartphone stecken und zu welchen Funktionalitäten sie beitragen.
- Da die meisten das Phone als Dreingabe zu ihrem Vertrag bekommen, kennen auch die wenigsten den Wert des Geräts, der auch nur selten ein Marktpreis, sondern ein Element der Kundenbindung ist.
- Das alles trägt auch dazu bei, dass die Produktionsarbeit für ein Smartphone unsichtbar bleibt.
In der anschließenden Diskussion wurden diese Aspekte noch stärker herausgearbeitet und am Beispiel Rolls Royce deutlich gemacht. Rolls Roye stellt Flugzeugturbinen her und hat vor einigen Jahren das Geschäftsmodell dahingehend geändert, dass nicht mehr die Turbine an sich, sondern die geleisteten Flugstunden das angebotene Produkt darstellen. Das hat auf der einen Seite den Produzentenstolz der RR-Arbeiter*innen getroffen und ihre Stellung in der Wertschöpfungskette verändert, während andererseits durch die hinzukommenden Wartungs- und Instandhaltungstätigkeiten neue Jobs entstanden sind, die dazu beitragen die Lebensdauer der Turbinen zu verlängern, was unter Nachhaltigkeitsaspekten (wenn es nicht um Flugzeugturbinen gehen würde J) durchaus positiv zu bewerten ist.
Hier deutet sich bereits ein Pfad der Diskussion an, der im Laufe der Tagung weiter ausgebaut wurde. Es geht dabei um den sorgsamen Umgang mit den bereits im Gebrauch befindlichen Rohstoffen, sprich Metallen. Dieser Aspekt wird allgemein bejaht, fokussiert sich aber allzuoft nur auf „the end of pipe“, nämlich das Recycling. Dass es aber bereits in den Design- und Entwicklungsprozessen um eine recyclingfreundliche Produktgestaltung gehen muss, wurde insbesondere auch von den Vertretern der Recyclingindustrie deutlich gemacht, die die zunehmende Zahl von Kompositwerkstoffen sowie die Miniaturisierung des Metallanteils als große Probleme für ein marktfähiges Recycling sehen.
Nun werden sich die Metallbedarfe der digitalen Transformation nicht gänzlich aus Recyclingprozessen stillen lassen, so dass auch die Frage der Ressource, also ihre Verfügbarkeit und ihre Förderung analysiert wurde. Die Situation stellt sich so dar, dass die Metallnachfrage im Zuge der digitalen Transformation sowie der sich abzeichnenden Mobilitäts- und Energiewende steigt, was bei einer endlichen Ressource zu einem rascheren Eintritt des Fördermaximums führt. Ein erster Hinweis könnten hier sinkende Erzgehalte pro geförderter Tonne Gestein sein, die die Wirtschaftlichkeit von Förderung und Produktion nur bei steigenden Preisen sicherstellen können.
Ein weiterer Aspekt, der den Erzbergbau und die damit verbundenen Unternehmen, sowie deren Kunden zunehmend zum Handeln zwingt, sind die sozialen und ökologischen Bedingungen des Bergbaus in den Ländern des globalen Südens. Eine Teilnehmerin berichtete aus eigener Anschauung über die Situation des Bergbaus in diversen afrikanischen Ländern, die schlicht katastrophal ist. Politisch wird es hier wohl ab 2020/21 eine Regelung geben, die die Beachtung sozialer und ökologischer Mindeststandards vorschreibt.
Die abschließende Diskussion der Tagung, die die Tiefe des Themas vom Bergbau über Produktion und Konsumption bis hin zum Recycling hinsichtlich der sozialen, ökologischen aber auch ökonomischen Herausforderungen sehr deutlich herausgearbeitet hat, fokussierte sich dann auf die Frage, wie vor diesem Hintergrund das „Metallbewusstsein“ denn zu steigern ist. Die Notwendigkeit dafür, wurde von allen Akteuren bejaht und die ursprüngliche Idee eine Kampagne „Metall des Jahres“ analog „Vogel des Jahres“ oder „Schmetterling des Jahres“ auszurufen, wurde im Kern weiterhin für gut befunden. Als zentraler Schritt vorab wurde aber der weitere Ausbau der konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren identifiziert, was breiter Konsens unter den Teilnehmer*innen war. Ein Kernteam kümmert sich nun um Inhalt und Organisation, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Angesichts des breiten Spektrums der Teilnehmer*innen kann dies ohne Zweifel als großer Erfolg bezeichnet werden!