4. Tag Pandas gucken

Nun hock ich in Peking auf meinem Bett und lasse den Tag Revue passieren. Am Abend sind wir in das Flugzeug gestiegen, 2,5Std geflogen und immer noch in China. Nun aber nicht länger in Westchina, sondern in der Hauptstadt, Stadt der Kaiser, der olympischen Spiele, des Massakers vom Tiananmen-Platz und der Heimat von knapp 20.000.000 Mio Menschen. Ganz schön aufregend.

Pandabären

Dabei hat der Tag ganz friedlich begonnen. Die Reiseleitung hatte eine Besichtigung des nationalen Maskottchen auf den Plan gebracht und so flanierten sechs deutsche GewerkschafterInnen zusammen mit ihrer chinesischen Begleitung durch einen Pandapark. Wie süß. Diese fortpflanzungsunwilligen Teddys, die sich von ausgewählten Bambussorten ernähren und ansonsten chillen. Ganztägig. Die Besucher des Parks gerieten dagegen immer wieder aus dem Häuschen, wenn Herr oder Frau Panda geruhte, einen Meter nach links oder rechts zu trotten. Extatisches Blitzlichtgewitter gab es natürlich am Pandakindergarten-Gehege. Panda plus Kindchenschema – da kann nichts schief gehen.
Mein persönlicher Favorit sind aber die roten Pandas, von denen ich vorher noch nie was gehört habe. Die machen einen etwas lebhafteren Eindruck und gucken auch intelligenter aus der Wäsche. Ein echter Geheimtip!

Unternehmenskultur eines Fischrestaurants

Dann führte uns das Programm nach Dujiangyan, etwa 50km nordwestlich von Chengdu. Dort besichtigten wir – nach einem ausgezeichneten Essen mit ganz viel Flussfisch – ein etwa 250 v. Chr. angelegtes Flutkontroll- und Bewässerungssystem gigantischen Ausmasses. Der Fluß wird in der Mitte geteilt, und ein Teil des Wassers über ein feinverzweigtes Kanalsystem zur Bewässerung der Felder genutzt, während der andere Teil durch eine Biegung des Flußverlaufs an Fahrt verliert und in seitlich angelegte Flächen strömen kann, falls Hochwasser droht. Seit Anlage dieses System hat es – nach Aussagen der Führerin – kein Hochwasser mehr gegeben. Das Bewässerungssystem wird für die wirtschaftliche Blüte der Region verantwortlich gemacht und ist seit 2000 Weltkulturerbe. Absolut beeindruckend.

Mir kam nur auch der Gedanke, dass das Teil ja nun schon 2250 Jahre alt ist und anscheinend die Chinesen schon früher nach dem Motto think big! agiert haben. Vielleicht haben die auch deshalb keine Bedenken bei einem Projekt wie dem Drei-Schluchten-Stausee, weil einfach andere Massstäbe herrschen? Es gäbe so viel über dieses Land und diese Menschen zu lernen, aber leider bin ich nur so kurz hier.

Und weiter geht es zum Flughafen, nicht ohne vorher noch ein letztes Mal die Sichuan-Küche genießen zu dürfen. Der Restaurantbesuch wird mir jedoch aus anderen Gründen unvergesslich bleiben. Die lieben Kollegen waren ohne mich Richtung Flughafen aufgebrochen und so stand ich da alleine auf weiter Flur, der Sprache nicht mächtig und weit und breit niemand des Englischen kundig. Lost in Translation oder so.
Gott sei Dank haben die Kollegen meine Abwesenheit dann doch registriert und mich wieder eingesammelt. Sowas braucht aber kein Mensch wirklich.

Peking in Weiß

Der Flug nach Peking war im Vergleich dazu eher unspektakulär und nach einer freundlichen Begrüßung durch die Bezirksgewerkschaft von Peking gings ins Hotel. Leider ist die Freude durch einen überraschenden Wintereinbruch getrübt, denn der einsetzende Schneefall machte die Besichtigung der großen Mauer unmöglich. Schade, aber nicht zu ändern.
In der Hotelbar waren wir mal nicht die einzigen Europäer, sondern es waren Winzer und Weinhändler aus verschiedenen Anbaugebieten vertreten, die zu einer Weinmesse in Peking angereist waren. Putzig fand ich die slowenische Delegation, weil deren Weine ja nun in Europa nicht wirklich ein Bein auf den Boden bekommen, aber in Mannschaftsstärke den Chinesen ihre Tropfen andrehen wollen. Aber es gab auch Italiener aus der Emilia – Romagna, die es nicht mit Lambrusco, sondern mit Sangiovese versuchen wollten. Mir selber hat das Tsingtao – Bier ganz gut geschmeckt. Kein Wunder, da die Brauerei 1903 von deutschen Siedlern gegründet wurde.

3. Tag Mein lieber Buddha…

Der Morgen startete holprig mitten in der rush hour,was bei einer 15mio Einwohner Stadt mehr ist als ein bisschen Stau, zumindest für so ein Landei wie mich. Es kostet Nerven und zeigt, dass das Thema der Mobilität in Megacities eigentlich nur (erstens) mit postfossil getriebenen Individualverkehr und (zweitens) mit ÖPNV und aktiver Mobilität zu lösen ist. Auf diesem Weg stellt sich das Land aber zwiespältig auf.

Elektroroller ohne High-Tec, aber bezahlbar!

Auf der einen Seite gehören knatternde Zweitakter in den Städten weitgehend der Vergangenheit an, weil vor etwa sieben, acht Jahren damit begonnen wurde, die Mopeds zu elektrifizieren. Das geschah wohl mittels sanftem Druck über rigoroses Anheben der Steuersätze für fossil getriebene Zweiräder. Geht doch!
Hinzu kommt auch allenthalben der Neubau von U-Bahn Linien.

Auf der anderen Seite berücksichtigt; oder muss es um des sozialen Friedens Willen berücksichtigen, die chinesische Stadtplanung das Statusbedürfnis neuer Mittelschichten als die Zeichen der Zeit. Das dazugehörige Statussymbol heißt derzeit Auto.
Das wiederum schmälert den positiven Eindruck von der Elektrifizierung der Mopeds, weil doch dann dieses Experiment der politischen Steuerung des Treibstoffs mit denen durchgeführt wurde, die sich noch kein Auto leisten können. Trotz dieser Bedenken überzeugt die Idee, nicht durch Steuerleichterungen eine neue Technologie einzuführen, sondern über Steuererhöhungen die alte Technologie zu dissen.

Ach so. Durch die Rush Hour haben wir uns gearbeitet, weil wir eine Verabredung mit Gewerkschaftsfunktionären in Leshan hatten. Knapp 120km von Chendu entfernt, knapp 500000 Einwohner. Gegen Chendu fast schon ein Kaff… Die Fahrt auf der Autobahn ging durch ein Tee-Anbaugebiet. Die Gegend war insgesamt eher landwirtschaftlich geprägt: eine eher kleinteilige Landwirtschaft, kleine Felder, viele Menschen, wenig Landmaschinen und viele Handspritzen. Ich weiß nicht, was die gespritzt haben, aber irgendwie waren das ganz schön Viele. Und ja. Ich hab mich gefreut, als ich so ein unter Wasser stehendes Reisfeld mit Strohhut tragender Bäuerin gesehen habe. Es gibt halt Bilder, die im Kopf sind und die man einmal in Echt sehen will…

die Gewerkschaftsspitze in Leshan

Das Gespräch mit den KollegInnen aus Leshan bringt eine Neuerung. Das erste Mal nach drei Tagen spielte hier auf dem Land die Partei eine aktive Rolle und der Genosse Funktionär sitzt ausgewiesenermaßen mit am Tisch. Das macht die Diskussion nicht weniger spannend, weil auch die Reiseleitung; eine „zack-zack“ getaufte Dame von der Provinzgewerkschaft – Ach so: Das sind einige Millionen Mitglieder. Nicht das jemand auf falsche Ideen kommt – aktiv mitmischt. Der Dolmetscher ringt immer wieder um die richtigen Worte, weil sich hier schon noch ein sehr klassisches Organisationsverständnis zeigt und irgendwie ein Hauch DDR in der Luft liegt.

der Buddha von Leshan

Ohne Mittagessen geht gar nichts und das war – wer mich kennt, weiß was ich meine – eine Herausforderung. Ich glaube, ich habe in der einen Stunde soviel Tofu gegessen, dass es für ein Leben langt. In allen Variationen, Aggregatzuständen und Geschmacksrichtungen kam das Zeug auf den Tisch. Alles war super gewürzt, gut zubereitet und hat sogar geschmeckt, aber ich mag keinen Tofu…Basta!

Danach ging es zum Buddha. Leshan hat nämlich eine Attraktion zu bieten: einen 71 Meter hohen, sitzenden Buddha, den größten Sitzenden weltweit und Weltkulturerbe. Der Buddha sitzt am Min Jiang – Fluss, bzw. dem Zusammenfluss von drei Flüssen, weshalb der Buddha auch per Boot zu besichtigen ist. Und ja, das war tourimaessig, aber es hing ein wenig Nebel in den Wäldern am Rand und über dem Fluss und für mich als hollywoodgeschädigtem Menschen kam – ganz kurz – Kanonenboot-Atmosphäre auf.

Der Min Jiang ist übrigens ein Zufluß des Jangtsekiang.

Kanonenbootstimmung

Die Rückfahrt fand dann wieder in der Rushhour statt und selbst antizyklisches Fahren – morgens raus aus der Stadt, abends rein – hat im Endeffekt wenig gebracht. Du stehst rum und kannst nachdenken. Nachdenkenswert ist vielleicht folgendes. Chengdu wird in den nächsten Jahren um einige Millionen Einwohner weiter wachsen; so etwa von 15 auf 19 Millionen. Nur so um die 10% der Fläche Chinas ist landwirtschaftlich überhaupt nutzbar und die neuen, alten Ballungszentren liegen eben oft in den eigentlich landwirtschaftlich nutzbaren Gegenden.
Also reduziert sich die landwirtschaftlich nutzbare Fläche.
Wasser muss oft über weite Strecken herangeführt werden und selbst im Hotel hängt nicht nur die weltweit verbreitete Aufforderung die Handtücher mehrfach zu nutzen, sondern auch beim Duschen mit dem Wasser sparsam zu sein, was mir neu war.
Hier muss sich also ein Land also für eine integrierte Raumplanung stark machen, die zwischen Urbanisierungsdruck, Industrialisierung, Landwirtschaft und Versorgungsinteressen, sowie einer nationalen Wasserpolitik vermitteln kann. Viel Spaß…

Nach dem Abendessen – einem Fondue, bei dem die Zutaten in einem würzigen Pilzfond zubereitet wurden – ging es ein wenig Auf zum Städtewandern… Avisiert war das tibetanische Viertel Chengdus, dass sich – auch das wieder ein globales Phänomen – im Dämmerlicht als Pendant zu manchem sozialen Brennpunkt in Westeuropa darstellt. Die Migranten pflegen ihre Heimatkultur, SozialarbeiterInnen organisieren Popkultur (im open-air-Kino wurde ein Film gezeigt) und ansonsten ist alles ein wenig heruntergekommen und abgewohnt. Trotzdem natürlich anders als in Europa. Garküchen mit allerlei Spießen, ein Massage-Salon, der so wirkte als ob tibetanische Bauarbeiter sich eher kollektiv die Füße massieren lassen, als in der Kneipe einen zu trinken und Mönche, die durch die Straßen huschen.

Mittlerweile lieg ich endlich hier in meinem Innenstadthotel und bin froh, dass alles aufschreiben zu können, was hoffentlich den Kopf für einen ruhigen Schlaf freiräumt.

Gut Nacht.

2. Tag Chinese works

Der Tag begann mit einer Einladung beim regionalen Gewerkschaftsbund, der uns sein Zentrum zeigte. Ein beeindruckender Bau, der ein wenig 70er Jahre Charme versprühte, aber erst sechs Jahre auf dem Buckel hatte. Dort war von Arbeits- und Sozialamt über Kultureinrichtungen bis hin zum Fitnesszentrum alles versammelt, was dem und der Werktätigen nutzt. Man darf halt wirklich nicht vergessen, das es eine Gewerkschaft in einem kommunistischen Land ist.

Der Eingangsbereich des Gewerkschaftszentrum in Chengdu

Die Ausdifferenzierung in Sozialverwaltung und gewerkschaftlicher Interessenvertretung, die sich bei uns in Europa schon früh ergeben hat, ist hier obsolet, weil sich die Frage, wer wessen Interessen gegen wen vertritt, ja schwierig gestaltet, wenn die Werktätigen wenigstens formal selber ueber die Produktionsmittel verfügen können. äh bzw. ihre Partei… Folglich füllen die Gewerkschaften in China den Interessensvertretungsanspruch eher konkret aus, was von Ferienhilfswerk bis Tanzkurs reicht und weniger im Sinne einer politischen Interessenvertretung wie die deutschen Gewerkschaften funktioniert.

Aber da die Privatisierung weiter voranschreitet, wird sich eine politische Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen wohl aufdrängen, und das sowohl vor dem Hintergrund des Entstehens aufgeklärter Mittelschichten, die Teilhabe und Beteiligung einfordern, als auch deshalb, weil die chinesischen Gewerkschaftsfunktionäre als geschulte Kader sehr wohl in der Lage sind bestimmte Notwendigkeiten zu begreifen. Das sind ja auch Marxisten!

Inhaltlich gings bei dem Termin dann eigentlich genau darum. Wie kann sich eine sozialistische Massenorganisation wie eine Gewerkschaft an die Kampfbedingungen im Kapitalismus anpassen ohne zu ignorieren, dass die Partei immer noch was zu sagen hat. Das ist eine schwierig Aufgabe und die KollegInnen sind wirklich nicht zu beneiden. Schön und ehrenvoll aber, dass sie das deutsche Mitbestimmungsmodell fuer einen guten Weg halten, weil uns – als deutschen GewerkschafterInnen – keine Partei was zu sagen hat!

Anschliessend gings in ein archaeologisches Museum, dass die Produktionsvergangenheit der Region bis 3000 v. Chr. herausarbeitet und das wirklich gut. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Chinesen aus dieser langen Kulturgeschichte eine andere Kontinuität ziehen, als wir Europäer. Die alten Römer und Griechen sind Gegenstand des Geschichtsunterricht. Gut, aber die Konstruktion des Ichs aus dieser Traditionslinie findet doch eher selten statt, oder? In China hab ich das anders wahrgenommen.

Feuertopf a la Sichuan

Danach gings zum Mittagessen und es gab eine regionale Spezialität:
Feuertopf a la Sichuan! ein schönscharfes Fondue, wo die Chilis bis zum Rand in den Topf gestapelt werden, mit Brühe aufgegossen wird und man dann, eben wie beim Fondue, sein Gemüse aller Arten, Pilze aller Arten, Fleisch und Fisch in der Brühe gart! Härrlisch.

Nachmittags stand eine Werksbesichtigung bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture an. Naja, dachte ich im Vorfeld, wird wohl das ausgelutschte Equipement aus Germany mit einem altbackenen Produkt sein. Fehler. Weltweite Konzernstandards bis hin zu den Warnhinweisen der Arbeitssicherheit und ein Produkt, das für den Markt mehr als taugt, weil sich auch das Anspruchsniveau chinesischer Kunden globalisiert hat, sprich höher geworden ist. Qualitätsmässig gibts für den Standort Deutschland noch leichte Vorteile, aber sie arbeiten dran…
Es drängt sich eh die ganze Zeit schon der Eindruck auf, dass es Zeit wird die koloniale Brille abzulegen und sich bewusst zu machen, dass China auf Augenhöhe ist. In dem Zusammenhang ist vielleicht auch interessant – und das nicht nur als Anekdote am Rande – , dass es mexikanische KollegInnen waren, die den chinesischen Neueinstellungen zeigten, wie am neuen Band zu arbeiten ist…

Die Jarama-Front auf Chinesisch

Mit den Erkenntnissen im Kopf ging es zum Abendessen in ein sehr populäres Restaurant mit Live-Musik. Erste weitere Erkenntnis des Abends war die, dass die chinesischen Restaurants in Deutschland nicht wegen den verfressenen Deutschen so oft Buffet anbieten, sondern weil sie in China das Buffet quasi tischweise auf einem sehr interessanten Drehteller anrichten, wo die ganze Chose von Hand rumgeschoben wird. Sehr nett. Dabei kommen je nach Mannschaftsstärke schnell zehn, fünfzehn Gerichte zusammen, was die kulinarische Exploration natürlich erleichtert.

Das Zweite, wirklich Berkenswerte und Berührende, war keine weitere Erleuchtung, sondern der Punkt in der Volksrepublik China im Restaurant zu hocken und die Band mit ihren traditionellen Instrumenten das Lied von der Jarama-Front spielen zu hören. Da kann einem ja schonmal warm ums Herz werden, oder?

1. Tag Ankunft in Chendu

Nachdem ich gestern um 8.50h losgefahren bin, erreichte ich zusammen mit dem Rest der Delegation um 11.45h Chendu, China. Zwischendurch war Umsteigen in Peking angesagt, wo ich zum ersten Mal asiatischen bzw. chinesischen Boden betreten habe. Irgendwie schon ein erhebendes Gefühl das zu tun.

Flughafenstimmung in Peking

Die chinesische Seite des Besuchskomitee sollte uns eigentlich nur zum Hotel bringen, fand aber, dass wir was essen müssen. Und? Es war herrlich… Frische Zutaten insbesondere Chili und Lauch, sowie gehackte Nuesse. Kleingehacktes Fleisch mit Knochen – fuer mich immer ein Zeichen, dass die Leute wissen, was sie essen – und neue Geschmackserlebnisse.

Nach dem unverhofften Festmahl bin ich mit der 26stuendigen Anreise versöhnt und gespannt was noch kommt. Gleich geht es weiter zum chinesischen Gewerkschaftsbund. Es soll einen ersten informelle Austausch geben.

So. Und nun lieg ich müde und satt im Bett. Der Tag läuft Revue und ich bin Hin- und Hergerissen. Mein China-Klischee wackelt und das Gefuehl 9000km von zu Hause weg zu sein, will sich auch nicht einstellen. Von Starbucks bis zur italienischen Eisdiele; von H&M bis Prada ist alles vertreten und wird auch mit grossem Selbstbewusstsein getragen und gezeigt. Voll der Westen hier. Zumindest da wo wir sind. Wir sind in der Innenstadt einer 15Mio-Metropole, knapp 200m von einer Fußgängerzone entfernt.

Apropos Voll der Westen. Hier und da haengen zwar noch rote Fahnen und eine mordsgrosse Mao-Figur steht rum. Aber das wars dann mit kommunistischer Symbolik im Strassenbild. Bis auf die Schrift, fällt mir insgesamt wenig auf, was daran erinnert in China zu sein. Und das fühlt sich irgendwie seltsam an, weil mir der Flug doch in den Knochen hängt und ein wenig mehr Exotik hätte es dafür schon sein dürfen.

Tai Chi – Gruppe am Gewerkschaftszentrum

Aber ich bin ja nicht der Exotik wegen da, sondern zum politischen Austausch und die Diskussion mit den chinesischen KollegInnen war im Übrigen sehr interessant. Wie macht man das denn: Sich von einer sozialistischen Massenorganisation zu einer demokratisch gewählten Interessenvertetung entwickeln? Sozialistische Massenorganisation heißt hier, dass die Gewerkschaften auf allen Ebenen in allen Fragen des Arbeitslebens die operative Umsetzung tragen und gleichzeitig Inhalte und Positionen der Partei vertreten sollen. Neben der Interessenvertretung kümmern sich die Gewerkschaften auch noch um die Themen die hier der Sozialapparat von Arbeitsamt bis Volkshochschule wahrnimmt.

Vielleicht bringen die naechsten Tage Klarheit…

Nach dem Diskutieren gings zum Essen: Authentische Kueche aus Sichuan: Viel Scharf! Aber nicht diese jeden Geschmacksnerv tötende Schärfe, die ich aus asiatischen Restaurants in Deutschland kenne, sondern ein variantenreiches und geschmacklich wirklich differenziertes Geschmackserlebnis, wo mit der Schärfe vorneweg gespielt wird, um dann Platz für ganz viel Gaumenfreude zu machen. Geschmacksträger war reichlich Gemüse und diesmal: Innereien… Hier kommt halt nix um.

Nur ich. Vor Müdigkeit…

Tag 6: Vent – Vernagt/Meran

Da komm ich her…

Auch der letzte Tag begann wieder frueh und ich war bereits um 7.00h unterwegs, weil doch einiges an Aufwaerts- (1100) und Abwaertsmetern (1300) bewaeltigt werden wollte. Zunaechst ging es recht gemuetlich auf breitem Fahrweg zur Martin-Busch-Huette, wo es auch die erste Ration Johannesbeersaftschorle des Tages gab. Weiter gings dann auf einem gut ausgeschilderten Trampelpfad Richtung Niederjoch. Die dazugehörige Similaunhuette sieht man eigentlich die ganze Zeit, aber deshalb ist man auch nicht schneller da.

Da will ich hin…

Nach gut 4,5h Stunden Aufstieg ist es aber soweit. Du stehst auf 3019 Metern kannst  rueber- und runtergucken nach Suedtirol, nach Italien. Ein ueberwaeltigendes Gefuehl nach sechs Tagen die Alpen ueberquert zu haben. Zur Feier dieses denkwuerdigen Augenblicks gabs keinen Sekt, aber die letzte Johannesbeersaftschorle dieser Wanderung.

Geschafft!

Ich war mit alkoholischen Genuessen auch deshalb vorsichtig, weil der Rother Wanderfuehrer den Abstieg als arg ausgesetzt und anspruchsvoll beschreibt, was aber meiner Ansicht nach uebertrieben ist. Trotzdem haette ich da nicht mit nem Stich runtergewollt. Du steigst zunaechst recht steil durch Fels ab, laeufst dann auf nem gut sichtbaren Weg durch Geroell, das dann in Weiden und Wiesen uebergeht. Nach 2,5h war aber auch das vorbei und ich unten am Stausee. Zufaelligerweise kam auch prompt der Bus, der Richtung Meran faehrt. Kurzfristig Hektik kam bei mir noch auf, weil ich meinen treuen Wanderhut im Bus liegen gelassen hatte. Aber nach ner knappen Stunde war der auch wieder am Mann. Ich nehm an das Teil hat so gestunken, dass es niemand wollte. Ueberhaupt war ich sehr froh, als ich unter der Dusche stand und auch erstmal nicht wieder in die Wanderhose und das Hemd steigen muss, die mich sechs Tage lang begleitet haben. Da hilft auch rei in der Tube nichts. Du stinkst einfach wie ein Iltis, aber egal….
Ich bleib nun noch ein paar Tage in Meran und fuehre mein breites Grinsen und den Stolz, es geschafft zu haben, ein wenig spazieren.

Tag 5: Mittelberg – Vent

Der laengste Tag dieser Wanderung ist vorbei und ich konnte die Bergwelt weitgehend alleine fuer mich erfahren. Dafuer bin ich sehr dankbar, auch wenn es anstrengend; aber nicht strapazioes war, seit 7.15h unterwegs zu sein und erst um 18.00h in der Unterkunft einzuchecken.

Da wo heute Kühe grasen, war vor nur 150 Jahren noch Gletscher!

Es ging also in Mittelberg los, einer Ortschaft, die vor 150 Jahren noch so nah am Gletscher gelegen war, dass die ihre verderblichen Sachen dort aufbewahrt haben. Heute gehst du auf dem „Wasserfallweg“  fast 600 Hoehenmeter bis du den Gletscher ueberhaupt siehst. Das hat mich trotz eindrucksvoller Landschaft sehr nachdenklich gemacht.

Ich schreibe ja viel ueber Peak oil, Klimawandel und unsere Zukunft, aber zu Fuss abschreiten zu koennen, wie sehr das schon diese Welt veraendert hat, war eine sehr persoenliche Erfahrung. Darueber hab ich nachgedacht, bis ich auf den Fahrweg gekommen bin, dem ich aber nur kurz folgen musste, bis es wieder links ab auf den Wanderweg ging.

Blick zurück zur Braunschweiger Hütte

Als ich auf der Braunschweiger Huette in der Sonne sass, hab ich dann gerafft, warum es da Fahrwege braucht: Die bauen immer noch Lifts und Beschneiungsanlagen fuer die Verlaengerung des Endspiels, fuer den letzten Tanz auf der Titanic oder die Ignoranz gegenueber den Verhaeltnissen. Dass die nicht alleine fuer den Klimawandel verantwortlich sind, weiss ich auch, aber das Wirtschaftsfoerderer, Regional-  und Tourismusplaner im leibhaftigen Angesicht der Auswirkungen so weitermachen, will mir nicht in den Kopf. Die Braunschweiger Huette ist dagegen sehr nett und die Johannesbeersaftschorle schmeckt wie Tomatensaft im Flugzeug (Unter 2000 Hoehenmetern ist das Zeug ungeniessbar). Aber die koennen ja auch nichts dafuer, dass das da so verbaut wird. Die sind Alpenverein und irgendwie anders an den Bergen interessiert. Und das die karge Welt des Hochgebirges eine hoechst eigenwillige Sache ist, habe ich heute gelernt. Nur Steine, Flechten, Wasser und ein wenig mehr – absolut faszinierend.

Nach zwei Schorlen gehts aber ganz profan weiter Richtung Pitztaler Joechl (2996m). Das faengt zwar entspannt an, aber wer oben ist, muss ja auch wieder runter. Und waehrend du aufwaerts mal noch hier und da die Stoecke in eine Hand nimmst, um mit der anderen am Stein abzustuetzen, ist es abwaerts zwar immer noch keine Kletterei, aber mit Seilen und in den Felsen gehauenen Stufen schon… interessant. Huestel. Das ich zum Abschluss noch unfreiwillig im Gletschersulz baden ging, hatte zwar was von Jungbrunnen, war aber trotzdem doof. Ein Stueck des Abstiegs fuehrt naemlich ganz abenteuerlich ueber ein Dauerschneefeld (ob das noch Gletscher ist, weiss ich nicht)

Dann kommt die Skiarena Rettenbach-Gletscher ins Blickfeld. Mordsparkplatz und Skigedoens inklusive Shops und Imbiss in sommerlicher Verlassenheit. Nachdem also der Aufstieg eher den Klimawandel an sich thematisierte, packte mich beim Anblick dieser Betonwueste der Zorn auf diese Ignoranz, diese Konsumscheisser, die nur weil Winter ist und deshalb Ski gefahren werden muss, eben auch aufm Gletscher rumrutschen muessen. Das sieht da einfach schon so aus als wenn McDoof, CocaCola und RTL die Vermarktung des Mars uebernommen haetten.

Wunderschöner Panoramaweg Vent

Also weiter. Von der einen Seite auf die andere Seite mit dem Bus durch einen Tunnel. Dann quer ueber den Parkplatz, rechts hoch entlang des Schlepplifts und dann links auf dem Panoramaweg Vent. Und zack. Biste alleine. Keine Skiarena. Sondern Stille und Alpen als Natur- und Kulturereignis. Es geht fast dreieinhalb Stunden bergab und ist so eindrucksvoll, so schoen und inspirierend, dass sich jeder Meter lohnt.

Trotzdem war ich froh, endlich in Vent einzulaufen und die Unterkunft schon im Vorfeld gebucht zu haben. Einchecken, frisch machen und Essen gehen. Es traf das Hotel Vent bzw. das angeschlossene Restaurant und einen ganz wunderbaren italienischen Kellner, der sich so freute zwei Weinvorschlaege zu Vorspeise und Hauptspeise machen zu duerfen und nicht nur Bier praesentieren zu koennen, das er zum Hirschruecken was jenseits der Karte rausrueckte. Einen Zweigelt, dem das Holz zwar gezeigt, aber nicht in Vanille ersaeuft wurde. Nett. Zur Sauerkrautsuppe gabs einen Veltliner. Schoen war der Plausch zum Schluss, als sich der italienische Kollege nach der Qualitaet des Essens erkundigte und anscheinend von so einem abgerissenen Typen (Wandertage hinterlassen auch bei mir Spuren) eine recht fundierte Antwort bekam. Fuer den Hinweis, dass man doch in einem oesterreichischen Tal statt TK-Lachs-Nudeln mal probieren koennte, was mit Forelle und heimischen Kraeutern zu kochen, wollte er dann Schnaps anbieten. Ich habe aber dankend abgelehnt und bin heim.
Nun lege ich mich nach einem sehr langen und sehr bewegenden Tag hin.

Tag 4: Zams – Mittelberg

Ein sonniger Morgen verspricht einen wirklich aussichtsreichen und entspannten Tag. Entspannt deshalb, weil heute „geshuttelt“ wird; eine Begrifflichkeit, die mir ein schwaebisches Cleverle beigebracht hat. Hoert sich auch deutlich cooler an als Bus- bzw. Seilbahn zu fahren, um nur die Highlights der Strecke zu Fuss abzugrasen. Beides steht aber aus praktischen Ueberlegungen heute auch bei mir auf dem Plan. (Nicht ganz die reine Lehre, aber manchmal siegt die normative Kraft des Faktischen)

Zunaechst habe ich um 8.00h mit der ersten Seilbahn mal eben 1400 Hoehenmeter ueberwunden, um mit nur 300 zusaetzlichen Hoehenmetern, die per Pedes zu bewaeltigen sind, zwei Gipfel zu nehmen, den Venet (2512m) und den Wannejoechl (2464m). Wunderbare Panoramablicke bis zur Ortler-Gruppe und idyllisch grasende Ziegen am Gipfelkreuz.

Ziegenidylle auf 2512m (Venet)

Danach begann der Abstieg, der heute an zwei bewirtschafteten Almen vorbeifuehrt, wo es auf der Ersten, der Galfunaalm, ne gescheite Apfelsaftschorle und auf der Zweiten, der Larcher Alm, ein Jausenbrett mit allem Pipapo gab. Richtig lecker, richtig gut. Das machte auch den Abstieg nach Wenns auf einem schoen breiten und quasi planierten Fahrweg leicht. Aber es sind an dem Tag dann eben doch rund 1500 Hoehenmeter bergab gewesen, also nicht unterschaetzen, auch wenn die Nettogehzeit von vier Stunden schon zur Entspannung einlaedt.

Abstieg nach Wenns

In Wenns hab ich dann den Bus bestiegen, der mich in einer knappen Stunde nach Mittelberg gebracht hat. Die Alternativen waeren gewesen, entweder an der Strasse entlang zu laufen oder einen viertaegigen Extratrip ueber die Berge ringsum zu unternehmen. Fuer das letztere habe ich keine Zeit und das andere fand ich eher unspannend und haette trotzdem einen Tag mehr ausgemacht. In Mitttelberg bin ich im Gasthof Steinbock unter, wo das Zimmer ok ist und das Essen den kulinarischen Tiefpunkt -bislang- dieser Wanderung darstellt. Das eine Tiroler Hochzeitssuppe aus Nudeln, Gemuesebruehe und Frankfurter Wuerstchen in Scheiben besteht, laesst mich am Reichtum der Gegend zweifeln und einen Salat muss man nicht mit Fertigdressing anrichten. Dafuer schmeckt der Neuburger, ich kann die wunderbaren Bilder des Tages an mir vorueberziehen lassen, der Sonnenuntergang war haerrlisch und morgen gehts ja weiter.

Tag 3: Memminger Huette – Zams

Eigentlich faengt der dritte Tag mit der Nacht an. Auch ein zweiter Schoppen erhoehte die Laessigkeit gegenueber der Tatsache mit wildfremden Menschen Matratze an Matratze zu schlafen nicht wirklich. Und so lagen wir dann da: ein sehr nettes Bergsteigerpaerchen mit zwei Kindern ueber mir, links neben mir n Jungdynamiker, der sich beim Bergsteigerpapa ueberschwenglich fuer den tollen „Input“ bedankte, der ihm echt was gebracht hat. Aus Hannover… Rechts neben mir ein Freiplatz (Gott seis gelobt und getrommelt!) und dann ein sprachloses Duett aus Blond-Sie und Gross-Er. Also gefuehlter Null-Schlaf bis 5.45h, weil da zwar nicht zurueckgeschossen wird, aber auf der Huette der Tag beginnt.

Morgenstimmung in den Bergen

Und dafuer werd ich den Rest meines Lebens dankbar sein. Auf 2200 Metern zu erleben, wie es langsam hell wird und der Morgen die Berge in ein ganz eigentuemliches, weiches Licht taucht, ist schon ganz grosses Kino.Leider bin ich nicht alleine, sondern in einer Subform des Massentourismus gelandet. Auf der Huette ist es naemlich gesellig. Und um 6.30h macht sich der erste Schwung der Corona unter grossem Hallo auf den Weg.
-Es laesst sich uebrigens von der Streckenplanung her nicht wirklich vermeiden, dass man mindestens einmal da uebernachtet, wo auch alle anderen schlafen, die den Rother Bergwanderfuehrer nutzen.-

Blick von der Seescharte ins Zamser Loch

Ich hab mich dann eingefaedelt und hatte zwischendurch auch das Gefuehl dieser Stille, die ein Morgen in den Bergen doch haben sollte. Die quasselnden und optimierungs-besessenen Schwaben genauso wie sportelnde Nachwuchsfuehrungskraefte, die den Trail wohl noch als Fleisskaertchen auf ihrem Lebenslauf brauchen, habe ich an mir vorueberziehen lassen und bin erst um 8.00h an der Seescharte gestanden, der Ueberschreitung ins Inntal. Grosser Moment. Du guckst zurueck auf die Allgaeuer und Lechtaler Alpen und vor dir liegt das Inntal und dahinter siehst du fast schon Italien. Fuer zwei Minuten. Leider hoffte ein schwarzbebrillter Wichtigtuer auf Empfang, weil er dem  „Prakti“ noch was mitgeben wollte…. Aber die mussten ja alle weiter und ich konnte mit nur wenigen Menschen im Nacken meinen Abstieg beginnen.

Der hat dann mal gepflegte fuenf Stunden gedauert und 1800 Hoehenmeter gekostet. Aber es ist kein anspruchsvoller Weg, mit Kletterei oder so, sondern nur saulang. Er fuehrt durch das Zamser Loch auf einem fuer den Viehauftrieb in den Fels gesprengten Weg und bietet echt schoene Ausblicke.
Irgendwann hat sie dich aber wieder: die Zivilisation in Form von Inntalautobahn als Hintergrundrauschen und dem Blick auf Landeck als architektonische Erinnerung an die autogerechte Stadt.
Und der Abstieg ist immer noch nicht vorbei. Erst wenn die Autobahnbruecke ueberquert ist, naehert man sich ebenerdig dem Tagesziel: Zams. Ein kleiner Vorort von Landeck, der sich als E5-Etappenort vermarktet. Soll er.

Ich bin im Gasthof Gemse unter, vielmehr im Gaestehaus nebenan. Nun nerven zwar noch zwei Youngsters auf dem Balkon nebenan, die sich mit Tankstellenbier n Netten machen und kurz davor sind, die Welt zu retten. Ich selber habe in der Gemse gegessen und mich drueber gefreut einen Freund des fuenften Viertels am Herd zu finden, also jemandem der das komplette Vieh verarbeitet. Zunaechst gabs deshalb eine Milzschnittensuppe und als Hauptgang einen gebackenen Kalbskopf mit Kartoffelsalat. Also Innereien und angeblich minderwertiges Fleisch, was sehr lecker zubereitet werden kann, aber leider nur allzuoft einfach im Abfall landen, weil viele nur noch Kurzgebratenes wollen. Schoen das es Gastronomen gibt, die am E5 auch mit Schnitzel, Steak und Filet ihren Umsatz machen koennten und trotzdem einen nachhaltigen Weg gehen. Und geschmeckt hats auch.
Die Jungs haben endlich die Welt gerettet und ich leg mich jetzt auch hin, weil morgen frueh Tag 4 beginnt.
Bella Ciao!

Tag 2: Holzgau – Memminger Huette

Nun hock ich auf 2200 und irgendwas Metern und werde das erste Mal in meinem Leben auf einer Huette uebernachten. Interessante Erfahrung als Ethnologe im eigenen Land auch mal die Gipfelstuermer unter die Lupe zu nehmen. Hoffentlich schnarchen die nicht. Egal. Die Nacht wird es zeigen.

Wenn Sie so wird, wie der heutige Wandertag, kann es so schlecht nicht werden. Der hat zwar mit Regen angefangen, sich aber stetig zum Guten gewandelt.
Los gings bei leichtem Regen in Holzgau; etwas spaeter als geplant, weils vorher richtig schlimm war. Aber das gehoert anscheinend bei einer Streckenwanderung dazu, dass du mindestens einmal bei Regen los musst. Der Fussweg von Holzgau Richtung Bach verlaeuft ueber den geteerten Lechtal-Radweg, was aber nicht schlimm ist, weil dieses breite Tal mit all den gruenen Bergen links und rechts selbst bei Regen optisch beeindruckt.

Wunderschönes Madautal

Der E5 biegt irgendwann rechts ab in den Wald und man geht auf einer geschotterten Piste durchs Madautal, meiner Ansicht nach eines der schoensten Alpentaeler ueberhaupt (Das Kleinwalsertal mal ausgenommen, aber das ist eine andere Geschichte). Das Einzige was echt stoert, sind die Shuttle-Taxis, die die Leute, die zur Memminger Huette wollen, zur Materialbahn bringen, wo sie ihren Rucksack abgeben koennen um dann leichten Fusses in knapp zwei Stunden zur Memminger Huette zu kommen. Kann man machen, muss man aber nicht. Ausser wenn man blind dem Reisefuehrer folgt und von der Kemptner Huette aus in den Tag startet.

Das Tagesziel ist erreicht!

Ich bin auf jeden Fall durch das Tal gegangen und hab auch den Aufstieg verkraftet, weil der recht smart in Serpentinen bergauf fuehrt, gut ausgeschildert ist und ein paar sensationelle Blicke in die Bergwelt eroeffnet. Und dann biegst du nach sechs Stunden Fussweg endlich um die Ecke und siehst diesen faszinierenden Kessel, in dessen gefuehlter Mitte das Ziel des heutigen Tagges liegt: die Memminger Huette.

Auf der Huette trudeln bis zum fruehen Abend weitere Leute ein, trocknen ihre Sachen und duschen mit kaltem Wasser in der Umkleidekabine. Ein bisschen wie Zelten, nur ohne eigenes Zelt. Dafuer kommt jemand an deinen Tisch und fragt, was du essen willst. Fuer mich gabs – im uebrigen sehr lecker fuer die Umstaende –  Kaspressknoedelsuppe und ein Szegediner Gulasch. Und auch heute gibts keinen Kaiserschmarrn zum Nachtisch, weil die Kohlenhydratvergiftung droht. Jetzt ist aber erst sieben Uhr und noch Zeit fuern Wein, weil der ja keine Kohlenhydrate hat…

Tag 1: Oberstdorf – Holzgau

Bei bestem Wetter geht es kurz nach acht Uhr auf Schusters Rappen gen Meran. Die erste Etappe soll in Holzgau im Lechtal enden, was rund 7,5h reine Gehzeit bedeutet. Die Strecke beginnt ganz harmlos beim Parkplatz der Nebelhornbahn und fuehrt, nur langsam an Hoehe gewinnend, zur Spielmannsau an der Trettach entlang.

Ein erster Blick in die Berge…

Ab der Spielmannsau stellt sich so langsam das Gefuehl ein, in den Bergen zu sein. Links und rechts Rinnsale, die wohl im Fruehjahr einiges mehr an Wasser fuehren. Aber nun ist alles gruen und leuchtet in der Sonne, also kein Gedanke an Schnee oder Schneeschmelze. Aber halt. An einer Stelle, die „Knie“ genannt wird, biegt man in den Sperrbachtobel, wo es noch reichlich Altschneefelder  zu bestaunen gibt. Der Tobel wird nach obenhin breiter und gibt nach rund 4,5h Aufstieg den Blick auf die Kemptner Huette frei. (Schoen uebrigens, wenn die angegebenen Gehzeiten im Wanderfuehrer mal mit meiner Realitaet uebereinstimmen.) Huette heisst Einkehr. Es gibt Rahmkartoffelsuppe und n Masskrug von Apfelsaftschorle. Schwamm drueber, ein stolzer Sieg der Vernunft. Es sollte ja nun auch noch ein dreistuendiger Abstieg nach Holzgau folgen, der aber erstmal mit einem halbstuendigen Bergauf zum Maedelejoch begann.

Grenzüberschreitung am Mädelejoch

Das Joch ist auch die deutsch-oesterreichische Grenze, was mich zu einer stillen Gedenkminute an all die emigrees bewegt, die ihre Heimaten weshalb auch immer verlassen muessen. Schoen war auch der Aufkleber der Antifaschistischen Aktion Koeln, der mitten auf dem Gummiadler des Grenzschilds prangte.

Aber dann begann er wirklich, der Abstieg. Nun habe ich fussballbedingt eine gewisse Abneigung gegens Absteigen, aber auch wandertechnisch ist das nicht meine staerkste Disziplin. Gehoert aber dazu, deshalb: kein Jammern und los. Die erste halbe Stunde gehts recht steil abwaerts, was sich dann legt. Nach der Unteren Rossgumpenalp ist es sogar ein Fahrweg, der fast zum Schlendern einladen wuerde, wenn es nicht schon ein paar gefuehlte Meter weiter, wieder bergauf geht. Es wird ein Mordsumweg durch den Wald gemacht, um den neugierigen Wanderer ueber die laengste Haengebruecke der Alpen oder so wanken zu lassen. Hoert sich vielleicht uncool an, aber ich fands toll. N richtig schoener Gimmick. Ich war trotzdem froh, als ich Holzgau dann 20min spaeter erreichte, im Hotel zur neuen Post eingecheckt bin und mich nun langsam auf den Abend einstimme.

Nun ist der Abend fast vorbei und die Wahl von Hotel-Restaurant unter einem Dach hat sich als richtig erwiesen. Das Restaurant ist Teil des Projekts Genussregion Oesterreich und bezieht einen Grossteil der Zutaten aus der Region. Jetzt koennt ich Alarm schlagen, weil Mais im Salat war, mach ich aber nicht. Kann ja sein, dass es da n Maisfeld gibt. Lecker wars trotz alledem, wenn auch Speckknoedelsuppe und Geroestl ein – ich sags mal so – arg kohlenhydratlastiges Menue darstellen. Auf den karamelisierten Kaiserschmarrn habe ich deshalb, trotz dringenden Anratens des Nebentischs, verzichtet. Die Combo bestand aus den fuenf Damen, die die Besatzung des Cafes Uta stellen, das ich am Nachmittag straeflicherweise ignoriert habe. Ein netter Haufen. Servicecrew at its best. Wer macht welche Schicht? Wer ist doof? Was ist angesagt und was nicht und: Wer mit wem? Ein schoener Ausklang des ersten Etappentages und nun guck ich noch n bisschen Fussball.