2. Tag Chinese works

Der Tag begann mit einer Einladung beim regionalen Gewerkschaftsbund, der uns sein Zentrum zeigte. Ein beeindruckender Bau, der ein wenig 70er Jahre Charme versprühte, aber erst sechs Jahre auf dem Buckel hatte. Dort war von Arbeits- und Sozialamt über Kultureinrichtungen bis hin zum Fitnesszentrum alles versammelt, was dem und der Werktätigen nutzt. Man darf halt wirklich nicht vergessen, das es eine Gewerkschaft in einem kommunistischen Land ist.

Der Eingangsbereich des Gewerkschaftszentrum in Chengdu

Die Ausdifferenzierung in Sozialverwaltung und gewerkschaftlicher Interessenvertretung, die sich bei uns in Europa schon früh ergeben hat, ist hier obsolet, weil sich die Frage, wer wessen Interessen gegen wen vertritt, ja schwierig gestaltet, wenn die Werktätigen wenigstens formal selber ueber die Produktionsmittel verfügen können. äh bzw. ihre Partei… Folglich füllen die Gewerkschaften in China den Interessensvertretungsanspruch eher konkret aus, was von Ferienhilfswerk bis Tanzkurs reicht und weniger im Sinne einer politischen Interessenvertretung wie die deutschen Gewerkschaften funktioniert.

Aber da die Privatisierung weiter voranschreitet, wird sich eine politische Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen wohl aufdrängen, und das sowohl vor dem Hintergrund des Entstehens aufgeklärter Mittelschichten, die Teilhabe und Beteiligung einfordern, als auch deshalb, weil die chinesischen Gewerkschaftsfunktionäre als geschulte Kader sehr wohl in der Lage sind bestimmte Notwendigkeiten zu begreifen. Das sind ja auch Marxisten!

Inhaltlich gings bei dem Termin dann eigentlich genau darum. Wie kann sich eine sozialistische Massenorganisation wie eine Gewerkschaft an die Kampfbedingungen im Kapitalismus anpassen ohne zu ignorieren, dass die Partei immer noch was zu sagen hat. Das ist eine schwierig Aufgabe und die KollegInnen sind wirklich nicht zu beneiden. Schön und ehrenvoll aber, dass sie das deutsche Mitbestimmungsmodell fuer einen guten Weg halten, weil uns – als deutschen GewerkschafterInnen – keine Partei was zu sagen hat!

Anschliessend gings in ein archaeologisches Museum, dass die Produktionsvergangenheit der Region bis 3000 v. Chr. herausarbeitet und das wirklich gut. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Chinesen aus dieser langen Kulturgeschichte eine andere Kontinuität ziehen, als wir Europäer. Die alten Römer und Griechen sind Gegenstand des Geschichtsunterricht. Gut, aber die Konstruktion des Ichs aus dieser Traditionslinie findet doch eher selten statt, oder? In China hab ich das anders wahrgenommen.

Feuertopf a la Sichuan

Danach gings zum Mittagessen und es gab eine regionale Spezialität:
Feuertopf a la Sichuan! ein schönscharfes Fondue, wo die Chilis bis zum Rand in den Topf gestapelt werden, mit Brühe aufgegossen wird und man dann, eben wie beim Fondue, sein Gemüse aller Arten, Pilze aller Arten, Fleisch und Fisch in der Brühe gart! Härrlisch.

Nachmittags stand eine Werksbesichtigung bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture an. Naja, dachte ich im Vorfeld, wird wohl das ausgelutschte Equipement aus Germany mit einem altbackenen Produkt sein. Fehler. Weltweite Konzernstandards bis hin zu den Warnhinweisen der Arbeitssicherheit und ein Produkt, das für den Markt mehr als taugt, weil sich auch das Anspruchsniveau chinesischer Kunden globalisiert hat, sprich höher geworden ist. Qualitätsmässig gibts für den Standort Deutschland noch leichte Vorteile, aber sie arbeiten dran…
Es drängt sich eh die ganze Zeit schon der Eindruck auf, dass es Zeit wird die koloniale Brille abzulegen und sich bewusst zu machen, dass China auf Augenhöhe ist. In dem Zusammenhang ist vielleicht auch interessant – und das nicht nur als Anekdote am Rande – , dass es mexikanische KollegInnen waren, die den chinesischen Neueinstellungen zeigten, wie am neuen Band zu arbeiten ist…

Die Jarama-Front auf Chinesisch

Mit den Erkenntnissen im Kopf ging es zum Abendessen in ein sehr populäres Restaurant mit Live-Musik. Erste weitere Erkenntnis des Abends war die, dass die chinesischen Restaurants in Deutschland nicht wegen den verfressenen Deutschen so oft Buffet anbieten, sondern weil sie in China das Buffet quasi tischweise auf einem sehr interessanten Drehteller anrichten, wo die ganze Chose von Hand rumgeschoben wird. Sehr nett. Dabei kommen je nach Mannschaftsstärke schnell zehn, fünfzehn Gerichte zusammen, was die kulinarische Exploration natürlich erleichtert.

Das Zweite, wirklich Berkenswerte und Berührende, war keine weitere Erleuchtung, sondern der Punkt in der Volksrepublik China im Restaurant zu hocken und die Band mit ihren traditionellen Instrumenten das Lied von der Jarama-Front spielen zu hören. Da kann einem ja schonmal warm ums Herz werden, oder?

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