Der laengste Tag dieser Wanderung ist vorbei und ich konnte die Bergwelt weitgehend alleine fuer mich erfahren. Dafuer bin ich sehr dankbar, auch wenn es anstrengend; aber nicht strapazioes war, seit 7.15h unterwegs zu sein und erst um 18.00h in der Unterkunft einzuchecken.
Es ging also in Mittelberg los, einer Ortschaft, die vor 150 Jahren noch so nah am Gletscher gelegen war, dass die ihre verderblichen Sachen dort aufbewahrt haben. Heute gehst du auf dem „Wasserfallweg“ fast 600 Hoehenmeter bis du den Gletscher ueberhaupt siehst. Das hat mich trotz eindrucksvoller Landschaft sehr nachdenklich gemacht.
Ich schreibe ja viel ueber Peak oil, Klimawandel und unsere Zukunft, aber zu Fuss abschreiten zu koennen, wie sehr das schon diese Welt veraendert hat, war eine sehr persoenliche Erfahrung. Darueber hab ich nachgedacht, bis ich auf den Fahrweg gekommen bin, dem ich aber nur kurz folgen musste, bis es wieder links ab auf den Wanderweg ging.
Als ich auf der Braunschweiger Huette in der Sonne sass, hab ich dann gerafft, warum es da Fahrwege braucht: Die bauen immer noch Lifts und Beschneiungsanlagen fuer die Verlaengerung des Endspiels, fuer den letzten Tanz auf der Titanic oder die Ignoranz gegenueber den Verhaeltnissen. Dass die nicht alleine fuer den Klimawandel verantwortlich sind, weiss ich auch, aber das Wirtschaftsfoerderer, Regional- und Tourismusplaner im leibhaftigen Angesicht der Auswirkungen so weitermachen, will mir nicht in den Kopf. Die Braunschweiger Huette ist dagegen sehr nett und die Johannesbeersaftschorle schmeckt wie Tomatensaft im Flugzeug (Unter 2000 Hoehenmetern ist das Zeug ungeniessbar). Aber die koennen ja auch nichts dafuer, dass das da so verbaut wird. Die sind Alpenverein und irgendwie anders an den Bergen interessiert. Und das die karge Welt des Hochgebirges eine hoechst eigenwillige Sache ist, habe ich heute gelernt. Nur Steine, Flechten, Wasser und ein wenig mehr – absolut faszinierend.
Nach zwei Schorlen gehts aber ganz profan weiter Richtung Pitztaler Joechl (2996m). Das faengt zwar entspannt an, aber wer oben ist, muss ja auch wieder runter. Und waehrend du aufwaerts mal noch hier und da die Stoecke in eine Hand nimmst, um mit der anderen am Stein abzustuetzen, ist es abwaerts zwar immer noch keine Kletterei, aber mit Seilen und in den Felsen gehauenen Stufen schon… interessant. Huestel. Das ich zum Abschluss noch unfreiwillig im Gletschersulz baden ging, hatte zwar was von Jungbrunnen, war aber trotzdem doof. Ein Stueck des Abstiegs fuehrt naemlich ganz abenteuerlich ueber ein Dauerschneefeld (ob das noch Gletscher ist, weiss ich nicht)
Dann kommt die Skiarena Rettenbach-Gletscher ins Blickfeld. Mordsparkplatz und Skigedoens inklusive Shops und Imbiss in sommerlicher Verlassenheit. Nachdem also der Aufstieg eher den Klimawandel an sich thematisierte, packte mich beim Anblick dieser Betonwueste der Zorn auf diese Ignoranz, diese Konsumscheisser, die nur weil Winter ist und deshalb Ski gefahren werden muss, eben auch aufm Gletscher rumrutschen muessen. Das sieht da einfach schon so aus als wenn McDoof, CocaCola und RTL die Vermarktung des Mars uebernommen haetten.
Also weiter. Von der einen Seite auf die andere Seite mit dem Bus durch einen Tunnel. Dann quer ueber den Parkplatz, rechts hoch entlang des Schlepplifts und dann links auf dem Panoramaweg Vent. Und zack. Biste alleine. Keine Skiarena. Sondern Stille und Alpen als Natur- und Kulturereignis. Es geht fast dreieinhalb Stunden bergab und ist so eindrucksvoll, so schoen und inspirierend, dass sich jeder Meter lohnt.
Trotzdem war ich froh, endlich in Vent einzulaufen und die Unterkunft schon im Vorfeld gebucht zu haben. Einchecken, frisch machen und Essen gehen. Es traf das Hotel Vent bzw. das angeschlossene Restaurant und einen ganz wunderbaren italienischen Kellner, der sich so freute zwei Weinvorschlaege zu Vorspeise und Hauptspeise machen zu duerfen und nicht nur Bier praesentieren zu koennen, das er zum Hirschruecken was jenseits der Karte rausrueckte. Einen Zweigelt, dem das Holz zwar gezeigt, aber nicht in Vanille ersaeuft wurde. Nett. Zur Sauerkrautsuppe gabs einen Veltliner. Schoen war der Plausch zum Schluss, als sich der italienische Kollege nach der Qualitaet des Essens erkundigte und anscheinend von so einem abgerissenen Typen (Wandertage hinterlassen auch bei mir Spuren) eine recht fundierte Antwort bekam. Fuer den Hinweis, dass man doch in einem oesterreichischen Tal statt TK-Lachs-Nudeln mal probieren koennte, was mit Forelle und heimischen Kraeutern zu kochen, wollte er dann Schnaps anbieten. Ich habe aber dankend abgelehnt und bin heim.
Nun lege ich mich nach einem sehr langen und sehr bewegenden Tag hin.