Klaus Mertens
Von Ötzis Kupferbeil zum All-Metals-Smartphone – was bedeutet das für Arbeit und Beschäftigung?
Einleitung
Die digitale Transformation ist in aller Munde und das Reden von einer vierten industriellen Revolution ist allgegenwärtig. Technologisch verbirgt sich hinter diesem Diskurs einerseits die Elektronifizierung und Digitalisierung der Produkte und ihrer Leistungsmerkmale sowie andererseits die Automatisierung der Herstellprozesse. Daraus entstehen allerdings auch neue soziale Wirklichkeiten, die bestenfalls in das bestehende Dispositiv der Arbeit eingepasst und schlechtestenfalls exkludiert werden oder, falls es gut läuft, für neue Wahrnehmungen und Narrative sorgen. Es braucht dazu aber bestimmte soziale Konstellationen und Zeitfenster, um mit neuen Narrativen ein Dispositiv zu verändern.
Es gibt keinen Automatismus.
Der vorliegende Beitrag will deshalb das Dispositiv der Arbeit zunächst historisch einordnen, bevor er über die soziale Figur des Metallarbeiters referiert, die sich durch die Prozesse von Automatisierung und Digitalisierung wandelt beziehungsweise wandeln wird. Im Anschluss daran geht es dann um den Versuch, das neue Gesicht der Arbeit als eine Verunsichtbarung von Stoff, Wert und Arbeit zu beschreiben und zur Diskussion zu stellen. Der Begriff Verunsichtbaren beschreibt den Prozess, mit dem Wertschätzung und sogar Wahrnehmung der Rohstoffe, des Produktwerts und der darin liegenden Arbeit in der Öffentlichkeit, wie in der Lebenswelt des und der Einzelnen schwindet. Abschließend soll eine Perspektive für die Arbeit im All-Metals-Age skizziert werden, dem Zeitalter in dem die Menschheit das gesamte Periodensystem ökonomisch bespielt. Das All-Metals-Smartphone steht dabei stellvertretend für die Produktwelt der digitalen Transformation. Ein durchschnittliches Smartphone enthält rund 30 Metalle, zu denen auch die Elemente aus der Gruppe der Seltenen Erden gehören!
eine kurze Geschichte der Arbeit
Beginnen soll diese Geschichte bei dem Mann aus dem Eis, dem sogenannten Ötzi und seinem Kupferbeil. Das Kupfer für die Klinge ist in der südlichen Toskana gewonnen worden, wurde zur Klinge geschmiedet und von dem Mann aus dem Eis getragen, der es – so ist zu vermuten – nicht selber verhüttet beziehungsweise geschmiedet hat, auch wenn er einigen Thesen zu Folge durchaus Kontakt mit der Metallverhüttung gehabt haben soll. Es lassen sich unabhängig davon, also bereits vor mehr als 5 000 Jahren, die sozialen Rollen ausmachen, die das Wirtschaftsleben bis heute kennzeichnen: Händler und Kunde, Produzent und Logistiker. Wie aber haben sich diese Rollen und ihr Zusammenspiel weiterentwickelt? Was unterscheidet die Rollen und ihr Zusammenspiel heute von der Struktur vor mehr als 5 000 Jahren?
Es sind Prozesse funktionaler Differenzierung, die schlussendlich zu hohen Speziali-sierungsgraden und hoher Komplexität in sozialen wie technisch-ökonomischen Prozessen führen, die die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeit treiben. Während also
die stein- beziehungsweise kupferzeitliche Sippe gejagt, gefischt, genäht, gewoben, geschliffen und geschnitzt hat, gibt es dafür nun spezialisierte Gewerke, die den Wert ihres Tuns über Preise in Geld vergleichbar und damit handelbar gemacht haben.
Ein weiterer Aspekt, der bislang wohl eher weniger betrachtet wurde, sind die stofflichen und technologischen Konsequenzen funktionaler Differenzierung, die zu einer technologischen Verfeinerung einerseits und einer steigenden stofflichen Komplexität andererseits führen. Technologische Verfeinerung ist etwa die Entwicklung vom kupferzeitlichen Webstuhl, wie er im Südtiroler Archäologiemuseum zu sehen ist, mit groben Seilen und Gewichten aus Stein hin zu den vollautomatisierten Webstühlen moderner Prägung. Mit der Verfeinerung der Maschinen ist oftmals auch eine enorme Steigerung der Produktivität verbunden, die wiederum für eine räumliche Ausweitung der Märkte verantwortlich ist. Stoffliche Komplexität meint die vielfältiger werdende Zusam-mensetzung der Produkte. Das Kupferbeil des Mannes aus dem Eis bestand zu 99% aus Kupfer, während ein moderner hochlegierter Stahl je nach Legierung nur zu knapp über 90% aus Eisen bestehen kann. Deutlicher noch wird es bei Textilien, wo sich die Welt der natürlichen Wollen und Fasern ja im Laufe der Zeit zu einer bunten Mischwelt aus Kunststoff-Wollverbindungen gemausert hat.
Aber auch die Betrachtung des Smartphones, bezeichnenderweise als All-Metals-Smartphone etikettiert, zeigt die Feinheitsgrade moderner Produkte. Ein durchschnittliches Smartphone besteht zu
• 56 % aus Kunststoff
• 16 % aus Glas und Keramik
• 15 % aus Kupfer
• 3 % aus Eisen
• 3 % aus Aluminium
• 2 % aus Nickel
• 1% aus Zinn und
• 1 % aus anderen Metallen wie Gold, Silber, Platin, Palladium, Kobalt, Gallium, Indium,
Niob, Tantal, Wolfram und seltenen Erden zum Beispiel Neodym (Infostelle Mobilfunk 2015).
Das zeigt eigentlich zweierlei: Auf der einen Seite die Vielfalt der eingesetzten Stoffe und auf der anderen Seite die geringe Menge pro Produkt, die sich aber über die schiere Zahl der verkauften Produkte relativiert: In 2017 gibt es weltweit einen Bestand von 4,5 Milliarden Smartphones (de.statista.com 2017)!
Die vorstehend beschriebene Verfeinerung von Maschinen und die gesteigerte stoffliche Komplexität bedeuten für die Entwicklung von Arbeit sowohl das Entstehen von Experten für Entwicklung und Bedienung als auch das Entstehen einfacher, repetitiver Tätigkeiten, die Ergebnis höherer Automatisierungsgrade im Herstellprozess sind. Der Zusammenhang von Verfeinerung und Automatisierung besteht im Übrigen darin, dass mittels technischer Verfeinerung auch eine Prozessstandardisierung erreicht wird, die Grundlage der Automatisierung ist.
Im Zusammenhang mit der vorstehend geschilderten funktionalen Differenzierung und ihren technologischen Bedingungen entstehen immer entsprechende Dispositive (Foucault 1978), die Ausdruck des gesellschaftlichen Umgangs mit Arbeit sind. So stehen zunächst die agrarischen Tätigkeiten vom Ackerbau bis zur Tierhaltung einerseits und die Jagd andererseits im Fokus des Dispositivs, während die urbanen und handwerklichen Tätigkeiten eher eine randständige Rolle spielten. In der politischen Losung »Stadtluft macht frei« wird diese Randständigkeit politisch umgekehrt und damit in eine Richtung aufgelöst, in der die Anfänge bürgerlichen Selbstbe-wusstseins zu erkennen sind. Im Zuge der industriellen Revolution rückt dann zunächst das Bild des hart arbeitenden Menschen, in dem Fall tatsächlich das eines Mannes, der sich Erde und Maschine untertan macht, in den Vordergrund. Der Bergmann im Stollen und der Stahlarbeiter am Hochofen, die noch gefährlich nah an den Rohstoffen sind, sind bis heute Referenzpunkte für das Bild der Arbeit. Spätestens aber seit der filmischen Ikonisierung der Fließbandarbeit durch Charlie Chaplin in Modern Times rückt das Bild entfremdeter Montagetätigkeit in den Vordergrund. Im Dispositiv der Arbeit werden diese Tätigkeiten allerdings nicht positiv konnotiert, sondern als stumpf und wenig anspruchsvoll eingeordnet. Gleichzeitig entsteht mit den White-Collar-Tätigkeiten auch eine neue Form der Arbeit, die nunmehr weniger körperlich hart als geistig fordernd wird. In dem Maße, wie diese Tätigkeiten im Arbeitsmarkt dominieren, gerät auch das Dispositiv der Arbeit unter diskursiven Druck, wobei die technologische Ver-feinerung und die Automatisierung der Office-Tätigkeiten aktuell zumindest die Wahrnehmung von Arbeit verändert haben. Darauf wird später noch eingegangen. Zuvor jedoch soll, entsprechend dem Thema des Bandes, das Bildnis des Metallarbeiters genauer betrachtet werden.
das Bildnis des Metallarbeiters
Wie vorstehend schon angedeutet wurde, ist das Bild des Arbeiters am Hochofen, der in der Hitze des Feuers, das Eisen aus dem Erz holt, der es zu Strängen gießt und zu Stählen ver- edelt, nach wie vor prägend für das Dispositiv der Arbeit, insbesondere in der Metallindustrie. Richtige Arbeit ist hart, schmutzig und quasi archaisch, dabei gleichzeitig hochtechnisiert. Daneben erscheint monotone Montagetätigkeit weniger heldenhaft und moderne Facharbeit im Maschinen- und Anlagenbau zu wenig schmutzig beziehungs-weise gefährlich, als dass sie als Referenzpunkt für eine Weiterentwicklung des Dispositivs dienen könnte.
Trotzdem arbeiten deutlich mehr Beschäftigte in den Fertigungen und Montagen als an einem Hochofen. Und das Verhältnis von Blue- und White-Collar-Beschäftigten hat sich auch in der Metallindustrie längst zugunsten der White-Collar-Tätigkeiten verschoben. Die Beschäftigten hinsichtlich der Farbe ihrer Hemdkragen zu differenzieren, ist im Übrigen angelsächsischen Ursprungs und bezieht sich auf den – auch im deutschen Sprachraum ja bekannten – Blaumann für die Arbeiterinnen und Arbeiter. Der weiße Kragen steht für die Tätigkeiten bei denen weder Schmutz noch Dreck zu befürchten sind, also die klassischen Angestelltentätigkeiten. Es arbeiten also die deutliche Mehrzahl der Beschäftigten fern von Hochöfen und Gusswerken und so sehen sich die meisten Beschäftigten der Branche spiegelverkehrt zum Dispositiv der (Metall-)Arbeit und werden so entweder abgewertet oder ausgegrenzt, sodass die Beschäftigten am Fließband als unqualifiziert und die White-Collar-Beschäftigten nicht als Metallarbeiter im eigentlichen Sinne etikettiert werden.
Nun steht das Bildnis des Metallarbeiters im Weg. Es stört dabei, die aktuellen technologischen Entwicklungen und ihre sozialen Verwerfungen zu begreifen. Die digitale Transformation ist eben für die Beschäftigten am Fließband nur eine weitere Rationalisierungsschleife, die im schlechtesten Fall zum Arbeitsplatzverlust führt. Und für die Beschäftigten im Büro scheint sie ein Thema ohne Bedeutung zu sein, obwohl die Digitalisierung ja zunächst in den Bürobereichen Konsequenzen gezeigt hat. Ein gutes Beispiel ist das Verschwinden der Schreibbüros und der Wandel von den klassischen Sekretariaten zu Projektassistenzen. Nun soll es aber hier nicht darum gehen, wie unterschiedliche Beschäftigtengruppen solidarisch auf diese Ver-änderungen reagieren. Es geht darum aufzuzeigen, warum sie nicht angemessen darauf reagieren. Deshalb wird an dieser Stelle noch auf einen weiteren störenden Aspekt des Dispositivs der (Metall-)Arbeit eingegangen. Es geht um die gängige, in der Metallindustrie weit verbreitete Gleichsetzung von Metall und Stahl/Eisen, die verhindert, dass qualitative Veränderungen, die sich aus der steigenden Komplexität der Stofflichkeit und der Verfeinerung im Produkt ergeben, gesehen werden können.
Aus dem herrschenden Dispositiv und seinem zeitgeschichtlichen Kontext ergibt sich auch ein Produktbild in dem Stahlcoils und -stangen, Schiffe, Eisenbahnen, Autos und riesige Maschinen vorkommen, aber keine Smartphones, Tablets und Saugroboter. Das ist im nationalen Rahmen kein Problem, weil all diese Kleinteile ja aus Asien kommen, aber für das Verstehen von Veränderung, wäre ein Gedanke an Verfeinerung und Miniaturisierung sicherlich hilfreich.
Zusammenfassend verstellt das Dispositiv der Metallarbeit, als ewig junger Schein von Hochofen und Gusswerk, den Blick auf die Veränderungen der Branche und der Welt, die sich quasi nur im Spiegel des Dorian Gray (Romanfigur von Oscar Wilde 1890/91) sehen lassen. Nachfolgend soll aber ein Blick auf die Veränderung der Metallbranche geworfen werden.
das Verunsichtbaren von Stoff, Wert und Arbeit
Ein oft zitiertes Beispiel, an dem sich die Veränderungen der Branche zeigen lassen, ist der britische Triebwerkshersteller Rolls Royce (Appel 2015). Er hat bereits in den 1980er Jahren begonnen, nicht mehr das Triebwerk, also das verarbeitete Metall, sondern die Schubstunde, die durch das Triebwerk erbrachte Leistung, zu verkaufen. Bei diesem Geschäftsmodell, das auch als Servitization (Verdienstleistung) bezeichnet wird, gerät die Hardware als Kerngeschäft fast aus dem Blick. Dieses Geschäftsmodell findet sich bei Telekommunikationsgesellschaften und Netzbetreibern wieder und wird so weit getrieben, dass das Smartphone als kostenlose Dreingabe zum Vertrag fast selbstverständlich erscheint. Ein technologisches Hochleistungsprodukt mit filigraner Verarbeitung und kostbaren Rohstoffen, wenn auch in kleinsten Mengen, wird quasi verschenkt, was angesichts der Bedeutung, die das Smartphone als Dreh- und Angelpunkt modernen Lebens hat, schon fast paradox ist. Oder ist eben nicht das Smartphone Dreh-und Angelpunkt modernen Lebens, sondern sind es die digitalen Optionen des Internets? Wenn dem so wäre, wäre eine Erklärung für die Vehemenz gefunden, mit der etwa die Automobilindustrie die Digitalisierung des Fahrens und des Fahrzeugs vorantreibt. Hier zeigt sich die Tendenz weg von Produkten hin zu Geschäftsmodellen, die Digitalität und Dienstleistung in den Vordergrund stellt, während bei der Elektrifizierung des Antriebsstrangs, also einer eher analogen Angelegenheit, doch deutliche Zurückhaltung gezeigt wird.
Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die allgemeine Verdienstleistung auch der Metallindustrie den stofflichen Wert des Produkts und den darin enthaltenen Wert der Arbeit verschwinden lässt. Das oben beschriebene Dispositiv der (Metall-)Arbeit verhindert durch Exklusion und Abwertung geradezu sich diesen Prozessen kritisch zu nähern. Dabei stehen einige Aspekte ganz aktuell auf der Tagesordnung, egal ob es um eine nachhaltige Roh-stoffstrategie oder die Zukunft der Produktionsarbeit geht. Im Folgenden sollen diese Punkte zumindest andiskutiert werden.
Eine nachhaltige Rohstoffstrategie würde bedeuten, sich zunächst einmal für die Metalle jenseits von Eisen und Stahl zu öffnen und auch die Stoffe als kritisch zur Kenntnis zu nehmen, die zu ihrer Verarbeitung benötigt werden. Da wäre als einer dieser Stoffe beispielsweise das Helium zu nennen, das für bestimmte Schweißprozesse als Schutzgas Verwendung findet und dessen Produktion eng mit der Erdöl- und Erdgasförderung zusammenhängt. Dieser Zusammenhang führt immer wieder zu Versorgungsengpässen. Und als zentrales Metall der Elektrifizierung, die ja nicht nur den Antriebsstrang des Automobils meint, sondern eben auch allerlei kleine Helfer in Haus und Hof, die mit Elektromotoren betrieben werden, sollte die Verfügbarkeit, die Förderung, die Verteilung, die Verarbeitung und das Recycling von Kupfer intensiv diskutiert werden (Zittel 2016). Hervorgehoben werden soll an dieser Stelle, dass insbesondere die Bedingungen unter denen diese Metalle gefördert werden, hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Konsequenzen zu betrachten wären. Mit einem solchen Ansatz wären die zumeist nationalen Perspektiven auf Arbeit und Beschäftigung geweitet, was angesichts der planetarischen Grenzen und den weltumspannenden Wertschöpfungsketten dringend angeraten ist. Das ist allerdings trotz vielfältiger Bemühungen keine Selbstverständlichkeit. Die weltumspannenden Wertschöpfungsketten leisten nämlich einen zentralen Beitrag zur Verunsichtbarung, weil sie zumindest für die entwickelten Länder des Westens die harten, gefährlichen, unfairen und umweltschädlichen Arbeiten in die Länder des globalen Südens ausgelagert haben.
Zentrales Instrument einer nachhaltigen Rohstoffstrategie ist die Preisbildung, die marktwirtschaftlich eben soziale und ökologisch-nachhaltige Aspekte nicht einbeziehen kann, sodass hier eine politische Einflussnahme unerlässlich bleibt. Jenseits dieser Intervention wären staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sicherlich angeraten, um Impulse in Richtung nachhaltiger Rohstoffstrategien zu setzen. Forschung und Entwicklung wären auch dazu geeignet, die notwendige Schaffung eines stofflichen Bewusstseins für den Wert – nicht zu verwechseln mit dem Preis oder den Kosten – eines Produkts zu unterstützen. Denn ein solches breit verankertes Bewusstsein wäre auch politisch die Voraussetzung für die Durchsetzung entsprechender Preise. Mit welchen Instrumenten die Schaffung eines solchen Stoff- oder auch Metallbewusstseins vorangetrieben werden könnte, ist zu diskutieren und auszuprobieren. Notwendig ist es allemal.
Ebenfalls dringend notwendig ist es, das Dispositiv der Arbeit zu dekonstruieren und seine Elemente und Entwicklungen auf zeitgemäße Weise neu zu verknüpfen – quasi ein neues Narrativ der (Produktions-)Arbeit aufzulegen. Das geschieht im Diskurs um die digitale Transformation bereits dergestalt, dass die eh schon geringer geschätzten Arbeiten, die zumeist hochrepetitiv sind, per se als durch Roboter zu erledigen betrachtet werden. Damit wird deren Abwertung, die bereits im Dispositiv der (Metall-)Arbeit angelegt ist, weiter fortgeschrieben und kaum jemand stört sich daran. Dabei ist dieser weitere Automatisierungsschub unter sozialen wie ökologischen Gesichtspunkten zu hinterfragen.
Zunächst stellt sich sicherlich die Frage nach dem Warum: Warum wird viel Geld in eine weitere Produktivitätssteigerung investiert, wenn doch seit Jahren die Wachstumsraten der Weltwirtschaft eher bescheiden sind? Wenn es darauf eine hinreichende Antwort geben sollte, geht es darum, ob die digitale Transformation im Produktionsbereich rohstoffseitig und preislich ausreichend und nachhaltig hinterlegt ist: Was wird aus den Menschen, die durch diese Prozesse ihre Arbeit verlieren? Und: Wie verändert sich die Arbeit für diejenigen, die in der Produktion beschäftigt bleiben?
Diese Fragen sind vor dem Hintergrund einer zunehmenden Raumunabhängigkeit der Arbeit, ausgelöst durch die technischen Potenziale von Laptop und Smartphone, die sich in mobiler Arbeit und Home-Office-Lösungen zeigt, auch unter dem Aspekt von Zeitwohlstand und Lebensqualität für den Diskurs zur Zukunft der Arbeit wichtig. Wichtig sind sie aber auch für die Frage nach dem Verunsichtbaren von Arbeit und deren Wert. Verschwindet die menschliche Arbeit aus der Fabrik und dem Büro und wo geht sie hin? Wo ist sie dann noch sichtbar und abgrenzbar von anderen Zeiten? Und welchen Status hat die Arbeit derjenigen Beschäftigten, die eben nicht raumunabhängig arbeiten können? Entstehen hier neue Ungerechtigkeiten?
All das muss zwingend gesellschaftlich verhandelt werden, weil sich bereits Bereiche zeigen, wo die Bereitschaft für genutzte Produkte auch zu bezahlen, zumindest in Deutschland außer-ordentlich gering ist. Die Rede ist vom Online-Journalismus, der mit seinen kundenbasierten Zahlungsmodellen immer noch defizitär ist und sich über Werbung finanzieren muss. Ein anderes Beispiel ist die Software-Entwicklung, wo sich die App-Entwickler zum Teil nicht über Verkaufszahlen, sondern über Kundendaten refinanzieren. Hier wird der eigentlichen Arbeit, dem Schreiben oder dem Entwickeln, vom potenziellen Kunden keinerlei Wert mehr beigemessen. Genauso wie bereits geschildert, ja auch das Smartphone als kostenlose Dreingabe zum Mobilfunkvertrag gesehen wird.
Zusammenfassend ist vorstehend aufgezeigt worden, wo aktuell Momente der Verunsicht-barung von Stoff, Wert und Arbeit erkennbar sind und wie sie, flankiert von dem aktuellen Dispositiv der Arbeit, das Gestalten einer rohstoffsensiblen, sozial und ökologisch nachhaltigen Zukunft für Arbeit und Beschäftigung erschweren. Das hat die fatale Nebenwirkung, dass die konkret stattfindenden Veränderungen im Dunklen und Vernebelten stattfinden. Licht in dieses Dunkle zu bringen würde aber demzufolge mehr bedeuten als mit Zahlen, Daten, Fakten Transparenz in die Themen zu bringen und diese in der öffentlichen Meinungsbildung sichtbar zu machen, sondern eben auch an dem Bezugsrahmen zu arbeiten, in den diese Informationen eingeordnet werden. Der folgende Abschnitt will versuchen, einige Perspektiven aufzuzeigen, die sich aus einem solchen Prozess entwickeln könnten.
Perspektiven der Arbeit im All-Metals-Age
Die ökonomische Verwertung der Elemente des gesamten Periodensystems, insbesondere der Metalle und Metallsalze ist in weiten Teilen sowohl der digitalen Transformation als auch der Automatisierung beziehungsweise Elektrifizierung vieler manueller Tätigkeiten geschuldet. Daraus ist eine hochvernetzte Welt entstanden, in der Wissen und Information schnell und umfassend zur Verfügung steht. Ob daraus eine Welt entsteht, in der alles was zu automatisieren ist, auch automatisiert wird, ist offen.
Ein verhalten optimistisches Szenario sähe dann in etwa so aus: Der Anteil von Blue-Collar-Beschäftigten in der Industrie wird sich weiter zugunsten von White-Collar-Beschäftigten absenken, was sich zumindest in der Metallindustrie bereits deutlich abzeichnet. Im Logistikgewerbe sind zwar ähnliche Trends zu beobachten, aber die Zahl der Beschäftigten wird in diesem Sektor wohl dennoch eher steigen. In den personenbezogenen Dienstleistungen wird die Zahl der Beschäftigten steigen. Leider werden die Arbeiten sowohl in der Logistik als auch in den personenbezogenen Dienstleistungen schlechter entlohnt als in der Produktion oder den produktionsnahen Bereichen. Die Perspektiven für Handwerk und Landwirtschaft sind recht differenziert zu betrachten. Die Zahl der lohnabhängig Beschäftigten in Vollzeit wird insgesamt sinken.
Ein Szenario, das die wesentliche Ansage dieses Beitrags aufgreift, nämlich eine gesell- schaftliche Perspektive der Arbeit vor dem Hintergrund einer sozial und ökologisch nachhaltigen Rohstoffstrategie zu entwickeln, sähe dann anders aus. Sie würde wohl etwa so aussehen:
In der Industrie haben auch die Blue-Collar-Beschäftigten einen hohen Zeitwohlstand, der sich durch intelligente Arbeitszeitsysteme und das Recht auf Teilzeit ergibt. Die Arbeit ist anspruchsvoll. Repetitive Arbeiten sind automatisiert worden. Die ergonomischen Ansprüche sind hoch. Planerische und kreative Tätigkeiten gewinnen an Bedeutung. Die Portfolios der Betriebe entsprechen den gängigen Nachhaltigkeitskriterien. White-Collar-Beschäftigte sind weiter hochqualifiziert und haben gelernt, mit sozialer Komplexität und Ressourcenknappheit umzugehen. In der Logistikbranche sind insbesondere an der letzten Meile viele Arbeitsplätze entstanden, die die Innenstädte und Endkunden mit Pedelecs (Elektrofahrräder) und Lastenrädern beliefern. Genau wie bei den personenbezogenen Dienstleistungen genießen die Beschäftigten hohe Wertschätzung und verdienen entsprechend. Die Beschäftigtenzahlen in Handwerk und Landwirtschaft sind gestiegen, weil es insbesondere junge Menschen in die Bereiche zieht, wo sie regional orientiert mit den Händen etwas schaffen können. Sie nutzen ihre digitale Kompetenz um sich zu organisieren und mit Kunden und Lieferanten zu vernetzen. Die Bereiche profitieren insgesamt vom Trend zu handwerklichen Produkten und dem Ende der agrarindustriellen Ausbeutung von Boden und Tieren.
Bei dem letztbeschriebenen Szenario könnte der Eindruck entstehen, dass es sich um ein bloß analoges Bild handelt. Das wird es aber keineswegs sein, weil auch eine sozial und ökologisch nachhaltig angelegte Welt auf die Möglichkeiten der digitalen Transformation nicht verzichten kann und will. Allerdings wird es nicht digital um jeden Preis sein müssen. Den Preis dafür auszuhandeln, ist Aufgabe der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um das Dispositiv der Arbeit und die digitale Transformation!
Literatur
Appel, Helmut; Ardilio, Antonio; Fischer, Thomas (2015): Professionelles Patentmanagement für klein- und mittelständische Unternehmen in Baden-Württemberg. Stuttgart: Fraunhofer IAO.
Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
de.statista.com (2017): https://de.statista.com/statistik/daten/studie/312258/umfrage/weltweiter-bestand-an- smartphones/ – Zugegriffen: 18.08.2017.
Foucault, Michel (1978): Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve. Foucault, Michel (2008): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. 9. Auflage. Frankfurt am Main:
Suhrkamp.
Haipeter, Thomas; Somka, Christine (2014): Industriebeschäftigung im Wandel – Arbeiter, Angestellte und ihre
Arbeitsbedingungen. Duisburg: IAQ-Report.
Infostelle Mobilfunk (2015): Rohstoffe und Lebenszyklus eines Mobiltelefons. http://informationszentrum-
mobilfunk.de/sites/default/files/IZMF_Factsheet_Lebenszyklus_2015.pdf – Zugegriffen 18.08.2017. Jones, Owen (2012): Prolls. Die Dämonisierung der Arbeiterklasse. Mainz: Thiele.
Powershift e. V. (Hg.) (2017): Ressourcenfluch 4.0. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen von Industrie 4.0 auf den Rohstoffsektor. Berlin: Powershift.
Zittel, Werner (2016): Die geologische Verfügbarkeit von Metallen am Beispiel Kupfer. In: Exner, Andreas; Held, Martin; Kümmerer, Klaus (Hg.): Metalle in der Großen Transformation. Berlin, Heidelberg: Springer Spektrum: 87–108.