Freitag morgen. Der fünfte Tag bricht an und ich habe das Gefühl, das die Woche wie im Flug vergangen ist. Nun gilt es noch die letzten Veranstaltungen mitzunehmen, aber vorher muss die ferienwohn aufgeräumt und gepackt werden. Das mache ich mit ein wenig Wehmut, weil mir diese Einraumwohnung doch sehr gut gefallen hat und ich mich dort auch wohlgefühlt habe. Aber hilft ja nix. Den Rucksack noch schnell im Schließfach am Bahnhof verstaut und los geht’s.
Ich hatte mich für das Panel „Sinnvolle Arbeit – Arbeit neu denken in der Postwachstumsgesellschaft“ entschieden, obwohl es auch eine interessant besetzte Podiumsdiskussion zur digitalen Transformation gab, aber da hätte ich ja selber sitzen können. Nun sollte sich meine Entscheidung auch nicht als das Gelbe vom Ei erweisen. Die Veranstaltung war nämlich keinesfalls als Serie interessanter Vorträge zum Thema mit anschließender Diskussion angelegt, sondern als open space. Und das ist ja nunmal eine Methode, die gekonnt sein will. Das fängt beim Zeitmanagement an, hört beim Themenmarktplatz nicht auf und wer Themen clustert, sollte das nicht um jeden Preis machen. Ich war bedient und bin dann gegangen. Ich muss mir nicht mehr alles geben.
Nachdem ich die gewonnene Zeit sinnvoll verbracht habe und durch den botanischen Garten geschlendert bin, stand zum guten Ende die Abschlussveranstaltung auf der Tagesordnung. Hartmut Rosa, Klaus Dörre und Stephan Lessenich ließen die Tage Revue passieren und diskutierten munter über die Grenzen der Soziologie bzw. ihren gesellschaftspolitischen Auftrag und die Generierung wissenschaftlicher Wahrheit, die sich für Rosa in der Auseinandersetzung mit Gesellschaft immer wieder erweisen muss und einer empirischen Wissensproduktion im Wissenschaftssystem, die Wahrheit quasi produziert. Sehr launig und klug nahmen sich die drei genauso auf die Schippe, wie es Leute tun können, die acht Jahre lang gut zusammen gewirkt haben. Es war ein schöner Abschluss der Tagung auch wenn es keine richtige Antwort auf die Frage, wie es weitergeht mit der Postwachstumsforschung in Deutschland, wenn der Rahmen der DFG-Forscher_innengruppe nun wegfällt. Ein solcher Nukleus scheint mir dringend von Nöten! Es gibt noch so viel zu tun und denken.
Apropos denken. Zum Schluss möchte ich noch ein Fazit ziehen, in dem ich ein Bild entwickele, wo die Themen des Transformationsdiskurses liegen.
Zunächst scheint mir der physikalische Rahmen sozialen Handelns gesetzt. Klimawandel und Ressourcenknappheit sind die Faktoren, die gesellschaftliche Entwicklung treiben werden und zwar auf allen Ebenen.
- Da geht es zunächst um eine Wiederbelebung der Sozialstrukturanalyse, die ausloten muss, welche Formationen da sind, entstehen oder verschwinden und welche mit welcher in welchen Austauschbeziehungen steht.
- Das gilt insbesondere auch für die Betrachtung der Arbeitsbeziehungen, die eben nicht nur durchs Klima, sondern auch durch Konjunktur und Computer, sprich Digitalisierung beeinflusst werden.
- Mir erscheinen die Ansätze mit Bourdieu, Gramsci oder wem auch immer die kulturelle Dimension gesellschaftlicher Formationen und ihrer Auseinandersetzungen sowohl in der Sozialstrukturanalyse als auch in der Arbeitssoziologie stärker zu betonen, mehr als hilfreich, sondern zwingend notwendig.
- Daran anknüpfend erscheint aus dem Ansatz politischer Beratung heraus, die Frage erfolgreicher Narrative für die große Transformation, genau wie die Widerstände dagegen eine wichtige Aufgabe soziologischen Tuns auf allen Ebenen zu sein, von der Gesellschaft bis hin zum Betrieb oder dem Verein.
- Diese Narrative werden meiner Meinung nach immer auch die Krise und das Versagen des Kapitalismus als System diskutieren müssen, weshalb auch die Frage komplexer Gesellschaftstheorie auf der Tagesordnung steht.
Das sind so die fünf Punkte, die mir wie ein roter Faden durch diese großartige Woche erscheinen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass ich nicht mit allen 1300 Teilnehmer_innen gesprochen habe oder alle der sicherlich mehr als 300 Veranstaltungen besucht habe. Von daher freue ich mich aber von anderen Eindrücken der Tagung mitzubekommen. Und vielleicht gelingt es ja auch den wunderbaren Geist und die Stimmung dieser Konferenz in die kommende Arbeit mitzunehmen.
Ich würde es mir sehr wünschen!