Der Winterurlaub in den Zeiten des Klimawandels

Nun hocke ich wieder an meinem Schreibtisch und komme endlich dazu, die vergangene Woche zu reflektieren. Ich war in Tirol am Pillersee, um ein wenig auszuspannen und zu wandern bzw. langzulaufen. Der alpinen Abfahrt kann ich weder beim Zuschauen, noch beim Selbertun etwas abgewinnen.P1020802

Jahreszeitlich bedingt, bin ich von reichlich Schnee ausgegangen. Kein Wunder, bei den Höhenmetern. Die Landschaft stellte sich jedoch schon fast frühlingshaft dar und bis auf einige schattige Seitentäler war der Langlauf nicht unmöglich, sondern eine ästhetische Zumutung! Die ästhetische Zumutung besteht darin, in einer frühlingshaften Umgebung mit grünen Wiesen und ersten blühenden Blumen auf einem weißen Band durch die Gegend zu rutschen. Es hatte eine zutiefst künstliche Anmutung wie die Menschen einen Wintersport ohne Winter ausüben. Die Ignoranz gegenüber den natürlichen Gegebenheiten, die daraus gelesen werden kann, eröffnet einige weitere Fragen.

  1. Was wird aus den Wintersportregionen und den dort arbeitenden Menschen, wenn der Winter mit Schnee und Skilauf ausfällt und damit auch die Touristen fernbleiben?
  2. Was machen die Menschen, die mit dem touristischen Angebot des Winterurlaubs entfremdete Arbeit kompensieren und sich erholen, wenn der Winter ohne Schnee ihre Bedürfnisse nicht länger deckt?

Insbesondere die zweite Frage scheint eine Frage kulturellen Wandels zu sein. Irgendwo kommen die Bilder im Kopf ja her, dass es im Winter kalt ist, der Niederschlag in Form von Schnee fällt und Ski gefahren werden muss. Wie ich im Gespräch mit lieben Freunden neulich lernen musste, ist es sogar ein Akt kultureller Überwindung im Winter auf die entsprechende Kleidung zu verzichten, weil es schlicht zu warm für die dicke Jacke ist.

Was fehlt ist wohl die Kompetenz zur Demut gegenüber Temperatur, Niederschlag und allgemeiner Wetterlage und die Flexibilität das Gegebene hinzunehmen. Das sind nun allerdings zwei Kompetenzen, die in der Moderne wenig angesehen sind, was fatal sein kann. Denn dadurch sieht es so aus, als dass die Verlängerung des Endspiels mit noch mehr Schneekanonen, mit Schneetransporten und der Erschließung von Skigebieten in höheren Lagen mit vermeintlicher Schneesicherheit unvermeidlich ist. Die weitere Zerstörung des Alpenraums ist damit absehbar. Das kann niemand wollen, weshalb die Frage nach dem Winterurlaub in postfossilen Zeiten ja ihre Berechtigung hat. Die stellt sich im Übrigen nicht nur für den Winterurlaub, sondern auch für die Sommerfrische. Aber die kommt ja erst…

Neben diesen eher grundsätzlichen Grübeleien, war es aber eine rundum erholsame Woche mit Spaziergängen im Sonnenschein, gutem Food regionaler und handwerklicher Erzeuger und leckeren österreichischen Weinen!

Alle Räder drehen sich, weil sie sich drehen sollen…

Montagmorgen. 6:00h. Workshop mit einer Fertigungsgruppe zum Thema „Gesundheits-KVP am Arbeitsplatz“. Es geht darum in einem selbstorganisierten Prozess gesundheitsförderliche Maßnahmen am Arbeitsplatz zu definieren. Und das alles nach einem inspirierenden Wochenende in Tutzing , wo es um die erfolgreichen Wege zur Transformation gegangen ist. Natürlich hängt mir das nach. Und natürlich frage ich mich, ob ich mit der Priorisierung der Mitarbeitergesundheit zur Optimierung der Verwertungsbedingungen im Sinne von „Business as Usual“ beitrage oder schon einen kleinen Schritt zur Transformation gehe, weil die Mitarbeiter lernen sich selber und ihre Gesundheit ernst zu nehmen und auf Lebensqualität zu achten.

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Blick auf den Starnberger See

Es war eh sehr beeindruckend, dass im Laufe der Tagung immer klarer wurde, dass die soziale und die ökologische Frage zusammengehören wie eineiige Zwillinge. Die soziale Frage lautet dabei eben nicht nur, wohin mit der Arbeit, wenn die Ressourcen knapp werden oder schon dann, wenn wir es eventuell früher schaffen, auch Industrie und Wirtschaft nicht nur ob des Ressourcenverbrauch beim Herstellen, sondern im Hinblick auf Produkte und Konsum ökologisch auszurichten.

Es geht vielmehr um das gute Leben, jenseits von Konsumterror, Leistungswahn und der Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche. Und da gehört Gesundheit doch unbestritten dazu. Bin ich also doch richtig unterwegs, oder? Wahrscheinlich schon, denn die Transformation ins Postfossile ist ja mehr als der Verzicht auf fossile Brennstoffe, sondern es ist eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, weil diese Gesellschaft auf reichlich, billigem Öl gebaut ist.

Diese Umwälzung in all ihren Facetten zu erfassen, ist schier unmöglich, aber Jeder und Jede kann aus seinem Umfeld dazu beitragen. Und knapp 100 TeilnehmerInnen haben sich deshalb ein Wochenende lang auf die Suche nach Wegen zur Großen Transformation gemacht, und mussten dann feststellen, dass es diese Wege (noch) nicht gibt, sondern höchstens einige Gleise in die richtige Richtung gelegt werden können, was im Rahmen der Tagung auch geschah. Schön war aber dabei das Bild des Schmetterlings, der in einem nicht linearen System mit seinem Flügelschlag auch ein Gewitter auslösen kann. Das hat – mir zumindest – trotz der Größe der Herausforderung die Zuversicht gegeben, dass sich unser Tun schon lohnen wird. Es lohnt eben auch das Kleine, scheinbar Private und Individuelle.

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Blick über den Starnberger See

Aber es gilt natürlich auch die großen Räder zu drehen. Energie-, Mobilitäts- und Industriewende wurden beispielhaft verhandelt und lebhaft diskutiert. Überall gibt es bereits gute Ansätze, aber dem Auditorium war immer anzumerken, dass es eigentlich zu langsam und in zu kleinen Schritten voran geht. Das war besonders dem Vortrag zu Friedenspolitik und Transformation anzumerken, der auf beklemmende Weise deutlich machte, dass bereits heute Kriege geführt werden und Menschen sterben, weil Ressourcen, sei es Öl, sei es Wasser, knapper werden.

Große Räder, die sich drehen. Kleine Schritte, die getan werden, Schmetterlinge, die fliegen. 100 Leute, die an einem Wochenende in Tutzing Gleise in Richtung Große Transformation gelegt haben. Es war inspirierend und ermutigend. Die Tagung hat Kraft gegeben an der Selbstverliebtheit des „Business as usual“ zu kratzen. Und diese Kraft ist auch an einem Montagmorgen um 6:00h zu spüren…