Logroño liegt am Rande der Region Rioja, weshalb es heute also mittenrein geht, ins Weingebiet. Ich bin gespannt und um halb neun auf der Straße. Der Weg verläuft rasch aus der Innenstadt und wird intelligent über einen Grüngürtel Richtung Naherholungsgebiet geleitet. Das ist echt eine Superidee, was übrigens auch die Hälfte der Einwohner findet, die sich zwecks Fitness und Gesehen werden, bzw. wegen Gesehen werden und Hund Gassi führen ebenfalls auf dem Weg befindet. Dann wirds aber irgendwann ruhiger und ich habe das Stadtgebiet hinter mir.
Es eröffnen sich tolle Blicke auf Weingärten vor Bergen zwischen Kornfeldern und ich bin ganz angetan. Als ich von einer hyperaktiven Frau angesprochen werde, die mir einen Zettel in die Hand drückt, weiß ich, daß ich mich Richtung Navarrete bewege und die Pause ansteht. Das wird heute eine integrierte Frühstücks- und Mittagspause sein, weil es auf dem Weg sonst wenig gibt. Passt aber. Zufälligerweise ist Markt, ich kriege ein nettes Plätzchen im Marktcafe und kann dem Treiben zugucken. Navarrete ist auch so ein Bergdörfchen und hatte früher bestimmt auch Schutzfunktionen, wie die Bastides im Midi. Auf jeden Fall hab ich das Gefühl, daß die ganze Gegend im Dorf eingefallen ist, um einzukaufen. Mächtig Trubel und Zeit weiterzugehen. Nicht ohne noch eine Situation zu erleben, die mich an die Gespräche in Logroño erinnerte. Ein reichlich tüddeliger alter Mann hatte auf dem Markt wohl ein paar Sachen besorgt und war Glaubens sich mit einem Bier belohnen zu können. Das hat er auch runtergekriegt, aber beim Aufstehen, hats ihn wieder in den Stuhl gedrückt. Und dann ging das los. Leute die ihn kannten, sprachen ihn quasi sofort an, rückten den Stuhl aus der Sonne und irgendwann nahmen in zwei Leute am Arm und brachten ihn zu einem Auto, in dem die Hyperaktive sitzt, um ihn nach Hause zu fahren. Vielleicht sind die alle verwandt, ich denke aber, daß es eine Art dörflicher Solidarität gibt, die zwar professionelle soziale Arbeit nicht ersetzt, aber deren Fehlen kompensiert. Das gibt es sicherlich auch bei uns, in Dörfern und gewachsenen Kiezen, nicht aber in Neubaugebieten und Schlafstädten.
Ich breche auf und es geht eine Zeitlang wenig lauschig an der A12 entlang, die sich durch den spanischen Norden windet und dabei mas y menos dem Camino folgt. Das ist verständlich, weil die Metropolen des Nordens eben vor 1000 Jahren wie heute auf diesem Weg liegen, aber schön ist das nicht. Dann laufe ich in den Zielort ein und checke erst nach Zeltaufbau und Ruhen, daß der Ort gar nicht hässlich ist, sondern ich noch nicht geschnallt habe, daß der Hauptort auf der anderen Flußseite ist. Also rüber gemacht und einen schönen Marktflecken mit mittelalterlichen Gäßchen entdeckt. Am Fluß gibts einen Grünstreifen, der genug Ruhe fürs Telefonieren, schreiben und Newschecken bietet. Daß es die Miriam Pielhau mit 41 erwischt hat, greift mich an. Erstens weil das in den schlappen drei Monaten der dritte Mensch ist, den ich irgendwie kenne, den dieser Drecks-Krebs angreift und zweitens hat die mich vor 100 Jahren mal sehr nett interviewt und dieses den Menschen zugewandte und Professionelle ist mir immer in Erinnerung geblieben.
Nachdenklich beginne ich mich um mich zu kümmern, was gut Essen und Trinken bedeutet. Mir war da schon ein Resto aufgefallen und ich blieb bei dieser Wahl. Es gab vorneweg eine weiße Bohnensuppe mit Chorizo und Piment. Echt erstaunlich wie man diese in Deutschland doch manchmal dumpf daherkommenden weißen Bohnen mit ein wenig Piment und Paprika zu einem echten Hit werden lassen kann. Als Hauptgang gab es Wachtel aus dem Ofen mit lecker geschmorten Gemüse inklusive Kartoffeln. Ich mag es, wenn Kartoffeln wie Gemüse behandelt werden. Dazu Weißwein aus Rioja, und zwar aus einem Ort, den ich morgen streife. Ein lecker Schoppen war das, vom Herrn Florentino Martinez. Danach werde ich müde, gehe zurück zum Campingplatz und lege mich nachdenklich hin. Zwischendurch frage ich nämlich schonmal, ob das richtig ist, was ich tue. Mich einfach mal rausziehen. Aber nach so Tagen wie heute, habe ich die Gewissheit, daß wir den Tag, den wir heute leben, eben immer nur einmal leben können und dann hat der doch schön und für uns zu sein. Mit dem Gedanken will ich einschlafen. Gute Nacht.