In der Nacht hat es geregnet, folglich war das Zelt morgens noch nass. Aber die Sonne schien und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit bis es trocken ist. Und das war so der Punkt gewesen, wo ich gemerkt habe, daß es mit Gelassenheit und Geduld doch noch nicht so weit her ist. Was ist das langweilig. Da gibt es nämlich kein Campingplatzcafe wo man bei laufendem Fernsehen und stetem Kaffeenachschub gescheit warten kann. Es gibt nichts, außer auf dem geliehenen Stuhl zu hocken und zu warten, daß das Zelt trocknet. Und irgendwann ist es soweit und es kann endlich losgehen. Aber von einem gepackten Rucksack hatte ich immer noch keinen Kaffee. Der erste Boxenstopp war dann schon nach einem schlappen Kilometer beim örtlichen Bäcker, der mir mit einem Kaffee und einem Salamisandwich auf die Sprünge half.
Die Wanderung selber führt auf durchschnittlich 1100hm über Weiden die mit Steinmauern voneinander abgetrennt sind und von den örtlichen Rindviechern, die passenderweise Aurac heißen, bevölkert werden. In sanftem Auf und Ab geht es auf breiten Wegen durch die Gegend, in der im übrigen auch Wintersport getrieben wird und die Pässe als ouvert oder ferme gemeldet werden. Hier scheint es im Winter also knackig kalt zu werden, was ich der Gegend so weit im Süden und doch weit weg von den Pyrenäen nicht zugetraut hätte. Aber schön ist es, wenn auch im Juni mit 14Grad knapp am gefühlten Gefrierpunkt. Ich will endlich Hitze und Sonne und so…
Als ich im Zielort eintreffe hat es sich auch wieder zugezogen und begonnen zu nieseln, so daß die Übernachtungsfrage deutlich gegen das Zelten beantwortet wird. Ich also in die erste Hütte im Dorf und den Wirt, ein Verwandter von dem NDR-Seehund, gefragt, ob denn noch was zu machen wäre. Und nach einem tiefen und langen Blick auf, ach was in den Bildschirm, seines Computers bekam ich ein Zimmer. Sehr zu meiner Freude war das ausreichend groß und mit Trockengelegenheiten. Also alles aufhängen,, selber saubermachen, ein wenig ruhen und mal ne Runde durch den Ort drehen. Ein typischer Basisort für Sommer- wie Winterurlauber mit Restaurants, Souvenirläden etc. Aber wegen Kalt und Niesel war auch nicht viel los, so das ich rasch in meine Homebase, meine Unterkunft, nebst Kneipe, zurückkehrte und mich an der Theke mit einem Pression für die heutige Laufleistung belohnte. 27km in sechs Stunden find ich schon ok. So langsam zeigen sich Trainingseffekte. Prima.
So eine Theke hat schon was. Im Fernsehen lief Wales:Schweiz und ein Pärchen, er so der Typ Chef der lokalen Gerüstbaufirma mit offenem Hemd aus der Hose, günstigen Slippern und Goldkettchen, sie die verblühte herbe Schönheit der Gegend, die sich mit einem praktischen Kurzhaarschnitt interessant hält, die ganz dringend irgendwas mit Champagner begießen mußten. Das was in Deutschland eine Dorfkneipe in den Wahnsinn stürzen würde, erzeugte hier nur an der Stelle ein wenig Hektik, weil das aus drei Angeboten (Ruinart blanc, Taittinger blanc und rose) gewählte Fläschchen nun ja auch im passenden Kühler präsentiert werden soll und der Ruinart Kühler im Keller ist. Herrlich. Die Kneipe füllt sich und es läuft immer noch Fußball, was mich vermuten lässt, daß das die französische Variante von public viewing ist. Weit gefehlt. Irgendwann wird umgeschaltet und es kommt Rugby. Toulouse gegen irgendwen. Und: Der Gerüstbauer bleibt mit seinem Champagnerthema kein Einzelfall und gut zwei Drittel an der Theke haben ein Glas mit prickelndem Irgendwas (Champagner, Cremant de xyz) am Hals. Zumindest in der Kneipe scheint es so zu sein, daß zu dieser etwas ruppigen Sportart mal was ganz Feines getrunken wird. Das hat was sehr Archaisches, sehe ich doch durchaus Parallelen zu Nachtigallzungen und Otternasen, die zu den den Gladiatoren bei Asterix gereicht werden. Das ist jetzt historisch-akademisch nicht wirklich eine Quelle, kommt mir aber in den Kopf.
Ich sitz nun nicht mehr an der Theke, sondern an einem Tisch im Thekenbereich, weil ich bei der Fußball/Rugbyguckerei von dem Ansturm aufs Restaurant völig überrascht worden bin und schon fürchtete das Nachsehen zu haben. Aber ein kurzer Austausch mit dem Wirt räumte mir den Tisch frei. Es wurde eingedeckt, die Karte gereicht und der Abend konnte kulinarisch starten. Zum Salade Campagnarde mit Eiern und Speck hatte ich mich für einen Sauvignon entschieden, weil ich mich freute, die Traube mal wieder zu treffen. Das kann nämlich reichlich spannende Weine geben, wozu der hier nicht gehörte, weil er gegen Ende doch stark verflachte. Zur Hauptspeise, einem Stück von der regionalen Rindersorte mit der allgegenwärtigen Aligot, gabs dann einen kräftigen Rose, den der Kellner empfahl. Und das hat gepasst, vor allem auch weil dieses Kartoffel-Käse-Pürree so fluffig war, daß es mir erst nachts wie ein Stein im Magen lag. Oder war es die Käseplatte mit bleu (diesem bleu de Auvergne), einem St. Nectaire und einem Brie von der Ziege? Der Käse macht mir hier richtig Spaß. Spaß hat natürlich auch das Ambiente, so nah am einheimischen Thekenkranz und der Dorfcommunity gemacht, aber es war dann auch gut und ich hab mich hingelegt und geschlafen, bis der Aligot mich weckte…