Ein Wohnwagen ohne Heizung ist auch keine Lösung. Die Klamotten, die ich gestern zum Trocknen aufgehangen habe, haben sich mit der hohen Luftfeuchtigkeit zusammengetan und sind feucht geblieben. Alles andere wollte dem nicht nachstehen und war klamm. Das ist der zentrale Nachteil beim Campen, wenn es regnet. Aber in lauen Sommernächten gibt es nichts besseres. Leider lassen diese Sommernächte noch auf sich warten. Aber beim losgehen regnet es nicht und es verspricht eine recht entspannte Tour zu werden. Flach und viel Geradeaus, was ganz in meinem Sinne ist, weil ich mich mal sortieren muß.
Ich bin jetzt seit fast zwei Monaten unterwegs und hab schon viel erlebt. Das Wetter war nicht so der Brüller, aber das Gefühl unterwegs zu sein, ist schon groß. Die Laune ist in den letzten Tagen trotzdem schlechter geworden, weil der Aufwand Unterkunft und Nahrung zu organisieren, unerwartet hoch ist. Bei der Planung hat mich, denke ich mittlerweile, die irrige Annahme geleitet, daß in Frankreich die dörfliche Welt noch in Ordnung ist und es schon noch überall einen Bäcker geben muß, allein schon wegen dem Baguette. Aber leider stellt sich das anders dar, weil eben auch Frankreich unter der Entleerung ländlicher Siedlungsräume leidet. Hinzu kommt, daß die Routenführung des Jakobsweges naturgemäß ja eher mittelalterlich, denn industriell-neuzeitlich angelegt ist und somit die neuzeitlichen Zentren umgangen werden. Beispielsweise bin ich die letzten Tage in einem Halbkreis um Roanne gewandert, weil die Stadt nunmal in einer Ebene liegt und solche Ebenen, durchzogen von Flüßen, immer auch sumpfige Angelegenheiten waren, denen der Jakobspilger tunlichst aus dem Weg gehen wollte. Und dann sind eben auch Klöster und Einsiedeleien beliebte Anlaufpunkte für die Pilger gewesen. Naja und die liegen ja nun auch selten am Marktplatzrand. Das alles ist mir nun klar und ich versuche damit umzugehen. Om. Auf der anderen Seite habe ich natürlich noch nie in 32 Jahren durch-Frankreich-fahren und Urlaub-machen die einzelnen Landschaften so intensiv erlebt, was damit zu tun hat, daß ich eben nicht auf Autobahnen wandere. Und das macht schon eine Menge aus, vor allem, wenn was zu sehen ist. Hinter einem Regenvorhang ist das allerdings schlecht zu machen.
Und zack. Bin ich am Tagesziel. Montverdun. Ein Dorf mit einer uralten Kirche und einem ehemaligen Kloster, das nun als Pilgerherberge dient. Ich komme als einziger Einzelwanderer im größten Schlafsaal mit 19 Betten unter und hab den ganzen Saal für mich. Das nutze ich nicht aus und springe nicht von Bett u Bett, sondern schreibe, schlafe und lese. Da ich Halbpension gebucht habe, brauche ich nichts zu organisieren und zum Essen gibt es einen Bio-Pinot Gris aus der Gegend, der richtig Spaß macht. Die Appelation heißt Urfe, ist relativ klein und liegt westlich von Lyon, also wie gesagt in der Gegend. Das macht dann schon Spaß über die Dörfer zu tingeln und auf Lebensmittel zu stoßen, die einem in den touristischen Hotspots so nicht vor die Füße fallen. Apropos Füße. Es gab heute als Vorspeise sauer eingelegte und kleingeschnittene pieds de porc. ☺
Pieds de porcs. Sauer eingelegt. Schüttel. Nicht wegen sauer sondern wegen der Füße. Das schmeckt???
Yepp. Schmeckt. Ist zwar a weng was zu kauen, schmeckt aber.