Nachdem das bei der Ankunft und am Abend im Restaurant des Campingplatzes mit Blick auf den Fluß so schön war, hab ich mich kurzfristig entschlossen noch eine Nacht dranzuhängen und morgen mal so richtig zu chillen. Auf den Fluß gucken und lesen. Sonnenschein inklusive. Kaum war das abgemacht und ich lag im Schlafsack, begann es zu regnen. Und zwar leise aber stetig, was für eine Nacht im Zelt in etwa so einschläfernd ist wie eine ganze Staffel Superdrumming. Ich lag also wach, dachte drüber nach, warum ich mir das überhaupt antue und was das alles soll und schlief dann doch irgendwann ein.
Gegen Morgen hörte der Regen auch auf, zunächst, und ich blieb liegen und genoß das Gefühl einfach liegenbleiben zu können. Wobei ich allerdings justamente da die Bedeutung eines Kopfkissens zu schätzen gelernt habe. Die menschliche Anatomie ist einfach nicht dafür gemacht auf der Seite zu liegen und Rücken kann ich nicht, kann ich nicht einschlafen, sondern die Birne springt an. Sich die Wanderklamotten unterzuschieben, verbietet sich aus olfaktorischen Gründen. Also doch raus, aufstehen, duschen und gucken, wo es einen Kafffee gibt.
Ich bin dann ins Dorf gegangen, hab mir das mal angeschaut, was bei 1100 Einwohner-Dörfern ja schnell erledigt ist. Straße rauf, Straße runter, den Mordshafen bestaunt und Einkehrschwung in die Bar-Tabac, die mir als der Anlaufpunkt des Dorfes (Das mit dem Dorf ist vielleicht ungerecht, weil ich gar nicht weiß, ob die Stadtrechte haben) erschien. Dort habe ich dann eine interessante Stunde erlebt, in der gefühlt ein Viertel der Einwohner auf einen maximal drei-minütigen Aufenthalt zurückblicken dürfte. Rein. Kaffee bestellen. Küsschen hier und da. Womöglich Lotto spielen. Kaffee trinken. Raus. Ob die eine Kaffeemaschine zuhause haben, weiß ich nicht, aber sie haben zumindest nicht so ein fünstellig kostendes Profigerät wie der Kollege von der Bar und haben schon morgens diese Rückbindung an die Gemeinschaft. In Deutschland hat jeder irgendeinen Dreck von Senseo bis Jura und kommt sich toll vor, wenn es einmal im Jahr zum Nachbarschaftsgrillen reicht. Nun gut, die ein oder andere Dorfkneipe müsste umstrukturiert werden bzw. der ein oder andere Bäcker sich dann doch dafür entscheiden eine gescheite Kaffeemaschine anzuschaffen und eher auf Cafe zu machen, als auf Verkaufsstelle für aufgebackene Fertigmischungen. Aber auch das würden wir schaffen und es wäre doch nett. Nicht Coffee to go, sondern eben kurz stehenbleiben und den Kaffee im Kreise der Community schlürfen. Ist doch besser als sich das lauwarme Zeug beim Gehen aufs Hemd zu schlabbern…
Dergestalte Überlegungen begleiteten mich bei der erneuten Runde durchs Dorf und beim erneuten Überqueren der Saone. Es gibt nämlich den Ort St. Jean de Losne und -ganz schlicht- Losne. Nun ist Losne noch kleiner als St. Jean de Losne hat aber eine ganz formidable Bäckerei, wie ich beim Vorbeigehen merkte, weil mich aus der Auslage diverse Pizzen und Quiches anlachten, die in Frankreich in den Beritt der Bäcker fallen und mit Ernst und Anstand produziert werden. Da es auf Mittag zu ging, war auch meinerseits Appetit da, so das wir zusammen kamen und ich den Laden im Besitz zweier Quiches, eine mit Thunfisch-Senf-Füllung, die andere mit Ziegenkäse-Lauch, verließ. Einen Platz am Wasser gesucht und genossen. Danach müde geworden und ins Zelt gelegt. Geschlafen.
Als ich wieder wach wurde, hatte es sich zugezogen, aber den ganzen Tag im Zelt liegen geht gar nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen. Also auf und vorgeschlappt in den überdachten Freisitz des Campingplatz-Restaurants und gelesen, n weißen Burgunder getrunken und aufs Wasser geguckt. Stille. Ruhe. Den ganzen Tag schon war es unheimlich leise, was wirklich -Wetter hin oder her- sehr entspannend wirkt. So saß ich dann da, als ein Fahrradfahrer mit Anhänger auf der Bildfläche erschien und einen Platz begehrte. Die Situation entspannte sich sofort, als der Kollege erstmal nen Kaffee bestellte und nicht sofort hektisch das Zeltaufbauen begann. Naja, und auf Hello, Drecks Wetter, where do you come from, folgte dann die Geschichte von Jemandem den das Travellen echt gepackt hat und der 2014 von Südafrika aus mit dem Fahrrad Richtung Norden los ist, erst im Sudan und dann in Südägypten Ärger mit dem IS bekommen hat und nun von Madrid aus nach Hause, ein Holländer wars, fährt. Das ist natürlich n anderes Ding als mein Flanieren durch Westeuropa, aber wir hatten durchaus nen Draht und es war ein netter Austausch, eben auch über das wieder Heimkommen und sich wieder Einfinden.
Nachdem ich im Schlafsack lag und fast glücklich war, daß es nicht regnete, fing es aber auch prompt an. Also same procedure. Superdrumming. 2. Staffel. Das wäre auch kein Problem gewesen, wenn ich nicht weitergewolt hätte. Und so stand ich nach einer durchtrommelten Nacht um 7:00h auf und hab versucht die trockenen Klamotten in den Rucksack und das nasse Zelt um den Rucksack rum zu packen und alles mit der Regenhülle gegen weitere Nässe zu schützen. So weit so gut und los. Heute gehts nach Nuit St. George an die Cote d‘ Or, die legendären Weinberge Burgunds. Wenn das nicht motivierend ist.
In strömenden Regen an einem französischen Kanal entlang zu wandern, hat von außen betrachtet sicherlich etwas sehr melancholisch-anrührendenes und könnte die Starteinstellung für einen Film Noir oder was Existenzialistisches sein. Wenn du da selber gerade die Hauptrolle spielst, hast du aber auch überhaupt keinen Blick für das Tragische im Auftauchen des Schwanenpärchens oder das Verdächtige bei diesem weit abseits des Hafen liegenden Hausbootes, sondern du findest das nur blöd. Saublöd. Als dann ein Straßenschild versprach mich mit 23km Weg ins Ziel zu bringen und nicht wie der Wanderführer mit 33km, hab ich den Wanderführer weggepackt und bin stur der D8 gefolgt. An dieser Stelle ein Kompliment an die französischen Autofahrer, die den ihnen entgegenkommenden Wanderer immer mit dem nötigen Respekt und Anstand behandelt haben. Merci.
Und als sie dann in Sicht kam, die Cote d‘ Or, wurde auch die Stimmung wieder besser und die Füße taten nicht mehr ganz so weh (Lange Strecken über Teer sind die Hölle.) und mein Ziel war bald erreicht. Die Unterkunft war kurzfristig und mit Bedacht gewählt. Ein Hotel, das anders als diese Ibis-Klimanlagen-Schachteln, erstens Platz im Zimmer und zweitens eine Heizung versprach. Immerhin muss ich ja ein Zelt, einen Rucksack und ein paar Klamotten bis morgen wieser trocken kriegen. ☺
Sehr, sehr geil:-)