25. Etappe: Belfort – Villers-sur-Saulnot

Nach drei Nächten im Mobil Home und einem ersten Mai ging es heute wieder auf die Strecke und der Rucksack war ein wenig schwerer wie gedacht. Wie schnell man sich der Last doch wieder entwöhnen kann. Aber das pendelt sich schon wieder ein. Vom Campingplatz gings in die Altstadt und von da aus erstmal durch eher triste Vorortsiedlungen. Die tragen übrigens auch dort bevorzugt die Namen osteuropäischer Städte und erschweren schon allein deshalb den dort Lebenden das Ein oder Andere, etwa eine Lehrstelle. Dann war das aber auch durch und an dem schon bekannten Kanal gings Richtung Countryside. Da die Sonne schien, verstaute ich meine Jacke schnell am Rucksack und marschierte drauf los. Das sollte heute mit sechs Stunden auch kein sonderlich langer Wandertag werden und von daher machte alles den Anschein einer leichten Tour.

Allerdings erledigte sich das beim Betreten des Waldes, denn der Boden war vom Regen der vergangenen Tage noch so aufgeweicht und der französische Waldwegebauer anscheinend nicht in der Lage irgendwas zu drainagieren, daß es eher wie Waten durch einen Sumpf oder so als Gehen im herkömmlichen Sinne war. Das verlängerte natürlich auch die Gehzeit um satte anderthalb Stunden. Aber ich bin angekommen.

Die Unterkunft war eine Gite de Etappe, sowas Schlichtes für Wanderer. Diese hier war auf einem Bauernhof eingerichtet, der das Zubrot des Schmieds gewesen war, weshalb die Einrichtung auch La Forge d’Isidore, Isidor seine Schmiede, heißt. Das hat mir der Herbergsvater erzählt, der gleichzeitig Koch, Bauer und Patron war, ein echtes Original. Die Unterkunft selber war echt schlicht, vor allem auch was die Heizleistung anging. Die Duschen waren im Keller und dazu noch diese Drück-diesen-Knopf-dann-kommt-Wasser-Duschen, die einem schon auf Campingplätzen jedes Duschvergnügen zunichte machen. Lässt man nämlich den Knopf los, kommt auch kein Wasser mehr. Naja, irgendwann war aber auch das überstanden und ich gewaschen und gerichtet. Abendessen gabs um Achte.

Punkt acht betrat ich den Speisesaal, der in der ehemaligen Schmiede eingerichtet war und war echt überrascht. Da war nichts geschönt, gestrichen oder hindekoriert worden. An der alten Feuerstelle brannten ein paar Scheite und am langen Tisch davor war für zwei Leute eingedeckt. Der Herbergsvater bedeutete mir, daß ich mich hinsetzen sollte. Naja, vielleicht ist ja noch ein Gast da und der setzt uns halt zusammen, habe ich bei mir gedacht und mich mit dem Rücken zum Feuer gesetzt. Hm, schön warm. Dann bog der Chef mit einem Suppentopf um die Ecke, setzte sich zu mir und verteilte die Suppe. Eingedeckt hatte er für mich und sich. Das nenne ich mal Betreuung. Es gab eine Gemüsesuppe, die von Bärlauch ganz grün war und auch mächtig danach schmeckte. Und er und ich radebrechten auf Französisch und Deutsch (Als junger Mann hatte der Kollege mal in Ludwigsburg gearbeitet) über den 2015er Wein, über die Frühjahrsfröste, die ja hüben wie drüben einiges zerstört haben und die Lage in der Milchwirtschaft. Dann war es Zeit für den zweiten Gang, einem mit Bratkartoffeln gefüllten Omelett – sehr lecker –
, und unser Gespräch drehte sich weiter um die wichtigen Dinge des Lebens. Zum Abschluß gab es noch eine kleine Käseplatte mit je einem Käse von Schaf, Ziege und Kuh. Alle drei Produkte seien als Grand Cru zertifiziert, wobei ich gestehen muß, daß ich nicht wußte, daß es dieses Zertifikat auch für Käse gibt. Aber geschmeckt haben sie alle drei danach. Insbesondere der Munster hat sich um Lichtjahre von dem unterschieden, was einem die deutsche Supermarkttheke unter diesem Etikett anbietet. Den Apfelkuchen zum Schluß hab ich dann ausgeschlagen, weil ich pappsatt und müde war. Das war auch ok, weil der gute Mann, geschlagen mit einer recht frischen Hüftoperation, ebenfalls Richtung Bett tendierte. Frühstück sollte es dann um halb acht geben.

Gabs auch. Selbstgemachte Marmelade, Honig aus der Gegend und einen Kaffee zum Auferstehen. Eigentlich braucht man nicht mehr. Der alte Mann war aber schwer in Wallung, weil er Besuch von Kiki hatte, einem Jungen von vier Jahren, den seine Mutter geparkt hatte, um in Ruhe zum Zahnarzt zu können. Das war aber nicht der Hauptgrund für die Wallung. Ein Kumpel war mit Herzkasper ins Krankenhaus gekommen und hatte ein paar Stents gesetzt bekommen und nun musste der gesamte Freundeskreis ja informiert werden bevor sie es aus der Zeitung oder durch den Dorftratsch erfahren. Der Herbergsvater hatte wieder für uns beide eingedeckt, kam aber nicht zum Kaffee trinken, weil er laufend telefonierte, wobei er die Nummern auswendig in das alte Telefon eintippte. Ich selber könnte nichtmal zuhause anrufen, weil ich die Nummer nicht weiß. Die einzigen Nummern, die ich noch auswendig kenne, sind erstens die Nummer meiner Eltern und zweitens die des AstA – beide Schnee von Gestern – und drittens meine Büronummer. Ansonsten wäre ich dann mal auf mein elektronisches Telefonbuch angewiesen. Eigentlich ist das eine grauenvolle Vorstellung. Naja, ist halt so. Im Laufe der Gespräche des Chefs mit Kumpels und Freundinnen kristallisierte sich übrigens heraus, daß es das Rauchen gewesen ist, was den Herzkasper ausgelöst hat. Nach dem dritten Gespräch war er sich da einig.

Über Kiki, der übrigens als Kilian getauft worden ist, kamen wir noch kurz aufs Boxen, was nur die Würzburger verstehen werden. Deshalb kurz erklärt: Wen Kiliani-Volksfest ist, gibts Sonntagsmorgens immer einen Frühschoppen mit Amateurboxen, was eine echt gelungene und coole Veranstaltung ist. Und warum? Weil die Kickers-Boxabteilung antritt? Richtig! So, und nach dem Ausflug in den Sport hab ich dann gemerkt, daß es Zeit wird aufzubrechen.