16. Etappe: Strasbourg – Molsheim

Es hatte etwas abgekühlt, aber es hieß nun Abschied nehmen von dieser interessanten Stadt. Und weil es abgekühlt hatte, hab ich mich auch entsprechend warm angezogen. Zwiebelschalenprinzip. Und es ging am Canal de Bruche heraus aus der Stadt, aber bereits nach einer halben Stunde war Schluß, weil ich mich wie das bekannte Gänseblümchen entblättern mußte. Es hatte zwar abgekühlt, aber es war eben nicht mehr kalt. Und so stand ich da, mitten im Berufsverkehr, barfuß und in U-Hose, dabei die lange Odlo und den Fleece zu verstauen und war richtig froh, weit weg von daheim zu sein. Nicht auszudenken, wenn das jemand gesehen hätte.
Aber dann wars ein entspanntes Schlendern am Canal entlang, der mich schnell aus der Stadt in die Peripherie und dann ins ländliche Elsaß führte. Interessant dabei war, daß FN-Schmierereien eher in der städtischen Peripherie auftauchte und auch hier der ländliche Bereich irgendwie gentrifiziert wird, was sich sehr pittoresk an einigen Schöner-Wohnen-mäßig renovierten Schleusenwärterhäuschen zeigte. Echt schön geworden, aber wahrscheinlich leider teuer. Und so gings dann mit dem Nachdenken über die zu beobachtenden Verwerfungen zwischen Stadt und Land hin zu der mehrdimensionalen sozialen Spaltung in den Ländern des Westens, wobei wohl die prototypische Figur des weiblichen Arbeiterkindes vom Lande als das Leitbild bildungspolitischer Überlegungen der 60er/70er Jahre heute wohl schon zu den Privilegierten zählen würde. Hinzugekommen sind die Formen prekärer Arbeit, die Frage der Familienformation, der Migrationshintergrund und eben, was ich besonders perfide finde, die psychische Disposition bzw. die Krankheitszuschreibung bereits bei den ganz Kleinen. Eigentlich alles zu lösende Themen, wenn es eine Wertedebatte gäb, die dazu führen würde, daß an den richtigen Stellen Geld in die Hand genommen würde und nicht jeder Nonkonformist gleich zum Kranken erklärt würde. Foucault ist wahrscheinlich froh, daß er tot ist…

Die Gedanken hellten sich auf, als es rechts ab in die Weinberge ging. Weinberge sind wohl von den landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen deutlich die Erhabensten. Na gut, Almen vielleicht noch. Aber in der Kategorie Obst geht der Preis eindeutig an die Weinberge. Dicht gefolgt allerdings von Streuobstwiesen, die es aber auch zu durchwandern gab. Ich war also landschaftlich auf der sicheren Seite und näherte mich entspannt meinem Tagesziel, dem Städtchen Molsheim.

Erwartet hatte ich ein elsäßisches Winzerörtchen, aber auf dem googlemaps geleiteten Weg zum Hotel, bin ich an einer Osramproduktion, ein paar Mittelständern und eben irgendwas mit Bugatti vorbeigekommen. Mein Hotel hieß auch Bugatti (Ich hatte vermutet der Inhaber wäre Italiener und ein Autonarr) und als ich frischgeduscht ins Städtchen eincheckte, klärte sich das Rätsel auf. Molsheim war der Produktionsort der legendären Rennwagen bzw. Luxusschlitten und bis heute werden da Teile unter dem Namen Bugatti produziert. Die Stadt hat dem Unternehmer quer durchs Städtchen ein paar Denkmäler gesetzt und es gibt auch ein Museum, das leider schon geschlossen hatte. So konnte ich dann frühzeitig in den ersten Vollkontakt mit elsäßischen Weinen gehen. Vollkontakt heißt in dem Fall eine Verkostung mit fünf Positionen a 0,1 von zwei Winzern (Heitz und Robert Klingenfuß, zwei örtlichen Anbietern) begleitet von lecker Essen. Die Weine waren durchweg eher lieblich ausgebaut, ohne pappsüß zu sein, sondern mit einem intelligenten Spiel von Frucht und Frische wirklich gute Speisebegleiter. Mein Favorit war der Bio-Sylvaner vom Weingut Heitz. N echt gutes Stöffche.