Die Fahne ist vorerst in Sicherheit. Ich habe sie außer Landes geschafft und bin nun in Strasbourg, Frankreich. Ich schreibe vorerst in Sicherheit, weil die französische Regierung nach wie vor den Ausnahmezustand aufrechterhält und damit wesentliche Bürgerrechte außer Kraft gesetzt hat. Das ist einen Schritt weiter, als in der Heimat. Aber auch dort spitzen sich die Verhältnisse zu. Die Faschisten gewinnen an Zulauf und die nationalkonservativen Kreise bis hin zur rechten Sozialdemokratie versuchen diesen Zulauf zu stoppen, indem sie deren Politik machen. Die Repressionen werden größer, weshalb ich vor nunmehr 14 Tagen los bin, getarnt als Jakobspilger – bei diesem harmlosen Katholizismus sind die Behörden weniger mißtrauisch – um die Fahne der Organisation, die uns so viel bedeutet, in Sicherheit zu bringen…
Überrascht? Mir geht es seit Tagen durch den Kopf und hat sich durch die gestern erlebten Militärpatrouillen mitten im Kneipenviertel noch verstärkt, daß es durchaus historische Parallelen zwischen der politischen Situation heute und den beginnenden 30er Jahren gibt. Und – so der Gedanke – vielleicht kann ein historischer Roman helfen, diese Parallelen aufzuzeigen und zu sensibilisieren. Der Plot wäre in etwa der, daß ein junger Sozialist von seinem kleinen Zirkel den Auftrag erhält die Fahne außer Landes zu schaffen und sich selber in Sicherheit zu bringen. Er wählt die Tarnung als Jakobspilger und wandert so durch Deutschland, Frankreich und Spanien. Dabei erlebt er dann so dies und das…
Unabhängig von dieser Idee, bin ich natürlich weiter unterwegs und gestern von Gengenbach über Offenburg und Kehl nach Straßburg gereist. Die Sonne schien und ich wollte, daß es ein schöner Tag wird, was bei einem 40km-Marsch nicht durchgängig der Fall gewesen wäre. Hinzu kamen Telekommunikationsprobleme, die einen Besuch im Telekomladen nötig machten, was der einzige Wehmutstropfen an diesem Tag bleiben sollte. Also mit dem Zug nach Offenburg und rein in die Stadt, in der just an diesem Tag auch Wochenmarkt war, der alles bot, was Baden zu bieten hat. Viele Stände mit regionalem Gemüse, Wurst und Fleisch, Käsedealer aus dem benachbarten Elsaß. Herrlich, aber wo ist der blöde Telekomladen? Die Problematik dieser Läden hat ja zwei Dimensionen. Einerseits besteht die Kundschaft in ihrer Mehrheit nicht aus den hellsten Lichtern am Baum, um das mal so zu sagen und andererseits stellt auch die Telekom nicht ihre erste Reihe in die Läden. In der Regel gibt es aber einen oder eine MitarbeiterIn, die ihr Geschäft versteht. Auf die wird man dann auch von der Deko (so nenn ich mal die Kollegen, die nicht sooo firm sind) verwiesen und dann heißt es warten. Die Combo, die die Fachkraft vor mir belegte, war so prototypisch wie nur was. Der 65-jährige junggebliebene Sohn will seinem 85-jährigen Vater mal was Gutes tun und ein seniorentaugliches Handy an den Mann bringen. Nun weiß er auch schon dies und das, will vor seinem Papa auch gut dastehen und stellt die ganze Zeit unnötige Fragen. Die Fachkraft, ein Stoiker mit mordsmäßig vielen Qualifizierungen in Sachen Kundenbetreuung und schwierige Gespräche, leicht gemacht, bleibt höflich, was das Procedere weiter in die Länge zieht. Irgendwann ist es geschafft und ich kann mein Problem vortragen. Die Sprachqualität von meinem Outdoorsmartphone ist nämlich bei schwachem Signal mehr als bescheiden, was aber nicht am Signal liegen kann, sondern an der Auslegung des Geräts. Sagt der Fachmann. Er hat eine Lösung und ich jetzt ein bluetooth-headset, das auch bei mir albern aussieht, weshalb ich das wohl nur in geschlossenen Räumen alleine verwenden werde.
Nachdem ich dann noch ein wenig durchs Städtchen bin, gings nach Kehl. Ich liebe diese Gegenden von Saarbrücken bis Freiburg, wo die Nähe zu Frankreich schon zu spüren ist und damit auch eine gewisse Leichtigkeit Einzug gehalten hat. Die Pfalz, ja ok. Das wäre dann eine Ausnahme, aber ansonsten sehe ich das schon so. In Kehl gings dann auf Schusters Rappen weiter und ich bin tatsächlich über den Rhein gegangen – auf einer Brücke, nicht das es hier Verwechslungen gibt – und weile nun in Frankreich. Nach gut zwei Stunden durch die Straßburger Peripherie war ich dann auch in der Unterkunft. Einchecken, stadtfein machen und ab. Schuhwerk waren übrigens diesmal nicht die Crogs, sondern die gewienerten Trekkingschuhe. Eine schöne, wuselige, vielschichtige Stadt, die zu erkunden sich lohnt. Das habe ich gestern abend schon ausführlich getan und wenn ich mein petit dejeuner beendet habe, werde ich das auch heute wieder machen. Durch die Stadt streifen und sie erleben. Dabei störend sind wirklich die Militärpatrouillen mit all ihrer Bewaffnung und ihrem Auftreten. Ich bin gespannt, wie sich das weiter im Landesinneren darstellt.