18. Etappe: Barr – Ribeauville

Es regnet mal wieder, was die Reiseplanung dahingehend optimiert, daß ich bis Dambach la Ville shutteln werde und dabei mal die französische Bahn ausprobiere und von Dambach aus nach Ribeauville laufe. Sechs Stunden durch den Regen dürften für ein Fleißkärtchen auch reichen. Also ran an den Gare und den Fahrkartenautomaten. Wofür in Deutschland menschliche Helferlein nötig werden, ergibt sich das hier doch reichlich intuitiv, auch für einen eher sprachunkundigen Zeitgenossen wie mich. Die erste Hürde ist also mit Bravour genommen und der passende Zug läuft ein. Pünktlich. Überraschenderweise gibt es in diesem Zug, wahrscheinlich kein Einzelfall, auch ausreichend dimensionierte Gepäckablagen, wie sie die Deutsche Bahn früher auch kannte. Die hat sie aber dem Zeitgeist geopfert, der anscheinend nur mit Zahnbürste und schwarzer American Express reist. Letzter Aspekt der Lobhuddelei auf die französische Staatsbahn, wenn ich nicht irre, ist die Informationspolitik während der Fahrt, die recht eindeutig war und den nächsten Halt frühzeitig ankündigte. So was freut mich immer irre, erspart es einem doch dieses völlig uncoole, aber todsichere Aufstehen fünf Minuten vor der avisierten Haltezeit.

In Dambach gings dann durchs Städtchen auf die Strecke, die munter durch die Weinberge führte und bei Sonnenschein bestimmt ein Herzensöffner gewesen wäre. War aber nix mit Sonnenschein, sondern es plätscherte mal, mal nieselte es und die Berge waren wolken- oder nebelverhangen, von Weitblick über die Rheinebene gar nicht zu reden. Darum gings dann auch nicht mehr, sondern es sollte Strecke gemacht werden. Trotzdem hab ich natürlich links und rechts geguckt, das ein oder andere Schöne, auch im Regen, gesehen und es legte sich ein Hauch von Melancholie über diese Wanderung durch die Weinberge. Melancholie ist nun weder mit Sentimentalität noch mit Traurigkeit zu verwechseln, ist sie doch weder rückwärtsgewandt, noch hoffnungslos. Sie zelebriert vielmehr die aktuell beklagenswerten äußeren Zustände und verweist auf eine bessere Zukunft. Was wäre dazu besser geeignet als ein verregneter Weinberg im Frühjahr, wenn nur das Wissen um die süße Frucht des Herbstes, den aktuellen Zustand des Weingartens, zurechtgeschnittene kahle Weinstöcke mit ganz kleinen Austrieben und wenig Zwischenbesatz, vergessen lässt. Das im Herbst dann das Wetter wieder bescheidener wird, während der junge Wein im Glas funkelt, ist der ewige Kreislauf in den möglichen Stimmungslagen des Weinenthusiasten. Gott sei Dank gibt es ja mehr als Wein von dem Stimmungslagen abhängig sein können.

Es gibt auch mehr als einfach durch den Regen latschen. Beim Durchmarsch in Chatenois sah ich drei Männer, gstandene Mannsbilder im besten Alter, in einem Salon de The verschwinden. Nicht lang überlegt, ich hinterher.
Und ich wurde nicht enttäuscht. Ein paar Tische, eine Kuchentheke, ne kleine Karte und diese ganz besondere Spezies weiblicher Persönlichkeiten, die ihr Leben der Gastronomie – halb zog es sie, halb sank sie hin – gewidmet haben und in der Lage sind, so einen Laden eben auch alleine zu schmeißen. Der Anstandscafe war schnell getrunken, die Sachen zum Trocknen ausgebreitet und dann in aller Ruhe ein Bierchen gegen den Regen. Schön wars. Nur geholfen hat es nichts.

Also wieder raus aus der guten Stube und weiter. Im Regen. Durch die Weinberge. Und durch den Wald, was eine nette Abwechslung darstellte, weil die Regentropfen da seltener, dafür aber dicker sind, als bei diesem Geniesel auf freiem Feld. Man freut sich an so Tagen auch an kleinen Dingen und endlich war ich dann in Ribeauville, dem Tagesziel. Das ist eines der größeren Städtchen an der elsäßischen Weinstraße und einerseits wirklich pittoresk, aber deshalb eben auch voll mit Tagestouristen, Cafes und Souvenirläden, was andererseits nervig sein kann, wenn einen das überrascht. Da ich ohne Reiseführer, sondern nur mit Wanderführer und Streckenplan unterwegs bin, war ich überrascht, fands aber dann doch nicht so schlimm, weil es ja regnete und die Zahl der Ausflügler sich doch in Grenzen hielt. So hat alles sein Gutes.

Und das Beste kam noch. Ich bin ja nun schon ein paar Tage in Frankreich unterwegs, aber heute abend das erste Mal tatsächlich unter Franzosen im französischen Restaurant. Da gibt es feine Unterschiede zwischen französisch Essen gehen (was im übrigen etwa auch in München ganz hervorragend geht), in Frankreich essen gehen (hab ich die letzten Tage bis hin zu Kebap/Frites schon getan) und eben ins französische Restaurant gehen. Was mir dort gut gefällt, ob Crogstyp oder Groß- bzw. Kleinfamilie, turtelndes Studentenpärchen oder wer auch immer. Alle werden mit der gleichen Aufmerksamkeit/Unaufmerksamkeit behandelt. Und alle lassen sich nicht lumpen und sind da. Nicht nur zum Essen, sondern um zusammen zu sein. Es gibt eine gewisse Aufruhr, bis (bei der Großfamilie) alle ihren Platz haben, aber anders als im Schwäbischen wird dem Service die Hoheit übers Mobiliar gelassen. Und dann ist Reden angesagt, bis das Essen kommt. Schön fand ich, daß die Kinderteller immer zuerst serviert wurden, damit die schonmal Ruhe geben. Und dann herrscht heiter gelassenes Schweigen und ich denke, es wird übers Essen geredet. Dem Essen wird Wert geschenkt und die Messer-Gabel-Kompetenz (also das Handwerkszeug, wie mit diesen kulturellen Errungenschaften umzugehen ist) scheint mir ausgeprägter zu sein, als in Deutschland. Warum muß im 21. Jahrhundert jemand die Gabel so halten, wie Catweatzle seinen Löffel, der ja noch nichtmal ein Messer zur Hilfe nahm? Diese Frage scheint zumindest in Frankreich anders aufgelöst zu sein, denn diese Kompetenz scheint hier schon bei den Kleinen ausgeprägter zu sein als auf der anderen Seite des Rheins.

So. Nun bin ich müde, hab nämlich in Vorbereitung auf die quasi winterlichen Temperaturen morgen mal ne Portion Baeckeoffe gegessen und statt Dessert vom Gewürztraminer genascht…