11. Etappe: Schenkenzell – Wolfach

Regen. Von Landschaft keine Spur und alle Gegend liegt im Nebel. Das ist nun der erste Tag, der so losgeht. Und obwohl ich einiges über diese Herausforderung gelesen habe und vom Schweinehund weiß, den es zu besiegen gilt, stellt sich kein innerer Kampf ein. Das wird schon noch kommen, aber heute bin ich einfach losgelaufen. Das kann damit zutun haben, daß ich mit der Frau Vermieterin noch ein kurzes Gespräch hatte. Daraus habe ich das Gefühl hmitgenommen, daß ich als dieser Wandervogel ganz viel Projektionsfläche für die Träume dieser Vermieter, der Leute in den Stempelstellen oder der Leute in Apotheken oder Tourist Offices biete. Und da muß schon was anderes passieren, als ein Drecksregen, daß ich die enttäusche.

Ich stapfe also vorzugsweise bergauf, durch diese wirklich erlebenswerte Schwarzwaldlandschaft und grübel vor mich hin. Und muß an einen lieben Studienkollegen denken, der dem Taxifahrer auf die Frage, wo es denn hingehen solle, antwortete, daß das doch egal sei, schließlich werde man doch überall gebraucht. Und was mach ich? Ich gehe zu Fuß durch Westeuropa. Wer braucht das? Ich? Brauchen hat sowas Zweckgebundenes und das ist dieses halbe Jahr bestimmt nicht. Ich will es einfach tun, auf meine Art und nicht nach irgendwelchen Regeln oder besser für irgendeinen Zweck.
Vielleicht sollten wir nochmal darüber nachdenken, daß es leider mittlerweile fast inakzeptabel ist, zu sagen, daß man keine Lust auf oder eben Lust auf etwas hat. Die Ökonomisierung der Lebenswelten hat aus der Lust, diesem nicht rationalisierbaren Spaß an einer Sache, etwas Minderwertiges gemacht, was wir nicht hinnehmen sollten. Klingt ein wenig nach Alt68, ist aber deshalb ja nicht doof. Sich selber und das eigene Wollen viel ernster zu nehmen, hat ja auch für einen demnächst 50-Jährigen und einem tatsächlich überschaubarer werdenden Lebenszeitraum, einen anderen Stellenwert als für ein verzogenes Teenagerbalg aus der Zentralheizungsecke.

Neben solch tiefschürfenden Gedanken nervt mich das Nichtvorhandensein von Schutzhütten und Bänken, der Regen und die, sich widersprechenden,ü Kilometerangaben auf den Schildern. Und dann steige ich von oben in das kleine Örtchen St. Roman ab und stehe vor einer vier-Sterne-Butze und geh da einfach mal rein, weil mehr als wieder rausschmeißen können sie mich ja nicht. Aber ich werde freundlich aufgenommen und kann mich und meinen nassen Kram schön ausbreiten, damit der auch abtrocknen kann. Dann kommt eine selbstgemachte Gulaschsuppe, die mich wärmt und freut, daß sowas für 5,90Euro eben doch zu machen ist und diese ganze Convenience-ist-günstiger Debatte einfach nur erstunken und erlogen ist. Nachdem ich barfuß – Schuhe und Socken waren ja zum Trocknen ausgezogen unterm Tisch gelegen. NEIN, die Socken hingen nicht über eine Stuhllehne – das Kuchenbuffet inspizieren konnte, gabs auch noch nen ofenwarmen Zupfkuchen, weil die Kaffeezeit ja erst losging. Herrlich.

Und dann gings auch weiter wieder an die Kinzig, nach Wolfach, ehem. Kreisstadt nun wieder mit Nostalgienummernschild. Warum die Leute den Aufwand treiben, erschließt sich mir nicht. Ist das die automobile Anschlußfähigkeit an eine Wiederentdeckung des Regionalen? Oder was? Egal. Ich laufe also in die Stadt ein und was sieht mein Auge durch die regenbeschlagene Brille? Einen portugiesischen Spezialitätenladen. Ich also rein und nach Sagres (sprich Sagresch. Portugiesisch immer zischen) gefragt. Und tasächlich eine eiskalte 0,2 Flasche Sagres in die Hand gedrückt bekommen. Ist das schön? Sicher ist das schön. Ansonsten ist Wolfach ganz nett anzuschauen und ich war gut unter. Aber dem Städtchen war durchaus anzumerken, daß das touristische Konzept früherer Tage nicht mehr funktioniert. Das begleitet mich nun schon ein paar Tage, daß dieser Schwarzwald irgendwie aus der Zeit gefallen ist. Da muß sich zumindest touristisch einiges bewegen und zwar in Gänze und nicht mit dem wenig zielführenden Aneinanderreihen tourismuswirtschaftlicher Abschlußarbeiten.

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