4. Etappe: Rothenburg – Hertensteiner Mühle

Ein harter Tag liegt vor mir. Ich verlasse Kurt Eisner seinen Freistaat und besuche ab jetzt Willi Kretschmann sein Land. Das ist zunächst mal kein Beinbruch, weil sich nach dem Aufstieg aus dem Taubertal die Hohenloher Ebene öffnet, die nach ein paar Kilometern zwar politisch zu BaWü gehört, aber historisch und so fränkisch ist, was sich auch im Zuschnitt meines Slow-Food Conviviums zeigt, dass vom Bamberg bis Schwäbisch Hall reicht.

Nach dem Aufstieg aus dem Tal fing es dann auf der Hochebene auch prompt an zu regnen, was ich selbstverständlich als unfreundlichen Akt der BaWüler interpretiert habe. Ansonsten das mittlerweile gewohnte Bild. Felder, Dörfer und Weiler. Heute keine Rehe und Hasen. Diese relative Eintönigkeit hat mir aber Zeit gelassen, noch einmal zu würdigen, daß genau diese Gegend ein wichtiger Schauplatz der Bauernkriege war. Hier haben sich die emanzipierenden Schichten des Mittelalters, die Bauern und Handwerker zum ersten Mal für ihre Freiheiten (natürlich immer auch die Gewerbefreiheiten) starkgemacht; das noch nicht so völlig im Zeichen der Aufklärung, sondern auch mit Hilfe des Protestantismus. Dabei gilt dabei immer noch, daß wer von Luther redet von Thomas Müntzer nicht schweigen soll. Wo allerdings diese aufstrebenden und sich emanzipieren wollenden Schichten im 21. Jahrhundert auszumachen sind, hat sich mir auch auf diesem Weg noch nicht erschlossen. Aber ich werde da weiter drüber nachdenken, weil ja mein Weg vom Elsaß bis ins Baskenland immer wieder durch Gegenden geht, die sich tief in die Geschichtsbücher eingegraben haben, eben weil es um Emanzipation und Independenzia gegangen ist.

Neben all der Grübelei war dann auch Schrozberg erreicht. Der Demeter-Fraktion sind bestimmt die Milchprodukte der dortigen Molkerei ein Begriff und das Industriegebiet hat garantiert noch den ein oder anderen hidden champion oder mittelständischen Weltmarktführer zu bieten. Ein paar Dörfer weiter bin ich an dem Hersteller von „Bienenwohnungen aus Hohenlohe“ vorbeigekommen, dessen Werksgelände tatsächlich weniger nach Hinterhof und Liebhaberei, sondern nach business und Serienfertigung aussah. Das alles war eingebettet in eine lauschige Landschaft und irgendwie bin ich mir noch nicht sicher ob hier das fränkische savoir vivre oder die schwäbische Schafferei dominiert. Eine Frage die sich in den nächsten Tagen wahrscheinlich schrittweise in Richtung Schafferei auflösen wird, weils morgen weiter Richtung Schwäbisch Hall und Stuttgart geht. Aber spannend sind ja immer Übergänge und Grenzen.

Unterkunft habe ich heute in einem ländlichen Gasthaus gefunden, das von keinem Netz dieser Welt zu erreichen ist und von tollen, in die Jahre gekommenen Wirtsleuten betrieben wird. Das Programm ist a weng eingedampft, weil es Qualitätsansprüche gibt und die Kegelbrüder, die eben aufgelaufen sind, halten der Bahn aus Holz und den Wirtsleuten dieTreue. Hobbykegeln ist irgendwie auch aus der Zeit gefallen, oder? Auf jeden Fall scheint das auch eine gastronomische Stätte zu sein, die es in zehn Jahren nicht mehr geben wird, was ich schade finde. Diese Dorfkneipen waren doch mal das, was wir heute im Urlaub an mediterranen Bars so zu schätzen wissen. Die Unterbrechung der Arbeit bei einem Espresso oder einem petite Irgendwas. Danach ausgerechnet hier – in BaWü – zu suchen, ist wohl paradox, aber vielleicht fällt es mir gerade hier auf.