100. Etappe: Las Herrerias – Triacastela

Als ob ich es geahnt hätte. Morgens um acht zeigen sich die zu überwindenden Berge in vornehmen Weiß, was nichts anderes als schnöder Nebel bzw. tiefhängende Wolken bedeutet. Entsprechend gelaunt ziehe ich los und hoffe darauf, daß meine Strategie aufgeht und gegen Mittag der Himmel aufreißt. Meine Laune bessert sich, als ich ich die ersten Meter gegangen bin. Ein sattes Grün leuchtet mir entgegen und diese tiefen, fast engen Täler entfalten ihre Wirkung auch ohne Lichtspiele. Ich komme gut voran und nach einer Stunde, bevor es richtig bergauf geht, kehre ich ein und bekomme meinen Cafe con Leche. Zumo de Naranja fällt aus, wegen ist nicht.

Dann gehts aufwärts in den Nebel. Grüne Hölle. Echt interessant, aber kaum zu schildern, wie sich taubesprengte Spinnennetze um ganze Bäume schlingen oder eine kämpfende Sonne schillernde Lichteffekte auf die Hügel zaubert. Weil es aber bergauf geht, schwitzel ich a weng, gleichzeitig geht Wind und ich hole, nach langen Tagen, die Softshell-Jacke mal wieder raus und das alte Spiel geht los. Sobald die Sonne rauskommt, ist es mit der Jacke zu warm. Ohne, ist es zu kalt, sobald der Wind bläst. Zwischendurch treibt der Wind auch noch Wasser vor sich her, was ich noch nicht Regen nennen würde, was es aber zusätzlich blöd macht. Egal, irgendwann ist oben!

Angekommen in Galicia. Deutlich unter 200km bis Santiago. Und endlich comida gallego, die galizische Küche, die ich für eine der besten Spaniens halte. Aber das erste Dorf auf galizischer Seite ist zum Museumsdorf gemacht worden, was nicht unsympathisch ist, und ich höre ja auch die Dudelsäcke gerne, aber dieser Gaelic/Kelten-Kram, der in den Shops angeboten wird und genauso wie in der Bretagne und Wales auch in Fernost gefertigt wird, lässt mich weitergehen.

Deshalb gibt es erst oben in der Bar am Pass die erste Caldo Callego seit vielen Jahren. Das ist eine vegetarische Suppe mit einer regionalen Kohlart, weißen Bohnen und Kartoffeln. Dieser regionale Kohl ist nun in Deutschland recht schwer zu organisieren, weshalb das Nachkochen einfach schwerfällt. Und mit den bei uns erhältlichen Kohlsorten kriege ich den Geschmack nicht hin. Also nutze ich die erste Gelegenheit und bestelle ein Töpfchen zum Aufwärmen. Wobei ich das mit dem Aufwärmen ehrlich meine. Mir war trotz Softshell auf 1400m im Juli in Spanien voll kalt. Die Suppe war gut und als ich mir ein Gipfelbier gönnen wollte, betrat jemand suchend die Bar und starrte den Leuten quasi auf den Teller. Als sie den Typen am Tisch gegenüber der Theke beäugte, wollte ich helfen und sagte, daß das Caldo Gallego sei, eine regionale Spezialität. Auf spanisch. Das kriege ich mittlerweile verständlich hin, denke ich zumindest. Als sie „Wie bitte?“ antwortete, bin ich ins Muttersprachliche gewechselt und hab ihr erklärt, was das ist. Das würde sich ja gut treffen, sie wäre nämlich Vegetarier. Als szenegeschulter Kerl weißte da, das die aus einer anderen Welt kommt. Sprachlich nicht so sensibel, die Gute. Ich geh dann mit meinem Gipfelbierchen zu meinem Platz und denk an das Etappenziel. Zweieinhalb Stunden noch. Zack, sitzt die da. Nä, sie hat natürlich gefragt, ob sie sich dahin setzen kann und da kannste ja nicht nein sagen. Das wäre ja unhöflich. Als sich die Frau aber nach einiger Zeit als dieser Typ Ich-hab-die-ganzen-sechs-Wochen-Urlaub-auf-den-Abflug-am-soundsovielsten-beplant-und-jetzt-bin-ich-viel-zu-schnell-und-wohin-soll-ich-denn-bis-zum-Abflug-noch-Laufen loslegte, hab ich mich verdünnisiert und den Hinweis, das sie ja weiter vor sich davon laufen könnte, runtergeschluckt. Ich habe derzeit die Freiheit zu sagen, mit dir ja, mit dir nein. Das ist so kostbar, weshalb ich kein Gramm dieses Schatzes verschenken möchte.

Also gehts dann Bergab ins erste galizische Städtchen. Und abends dann. Alles gut. Wieder Suppe. Sopa de Marisco, mit Muscheln und Krebschen. Danach Pollo vom Bauernhof an einer sehr leckeren Sauce mit Paprika. An, damit die Haut schön kross bleibt. Dazu Salat und Kartoffeln, sowie ein leichter Weißer aus Ribeiro, nicht zu verwechseln mit dem Ribera… Regionale Weinsorte, trinky wie ein Muscadet. Schön, sowas auch mal zu entdecken, nach all dem Rotweinen der letzten Tage. Ich freue mich auf Galizien und hab einen Tag auf dem Land dazwischengebastelt, weil ich hier weiter probieren will. Das ist eine gute Gegend fürs buen vivir. Mit dem Gedanken beschließe ich den Tag.

2 Gedanken zu „100. Etappe: Las Herrerias – Triacastela

  1. Klaus, das ist sooo schön, deinen Weg hier begleiten zu können.
    Zum 100. Mal: Danke dafür!
    Beso
    Babs

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