Nach einem erneuten (der letzte war erst knappe sechs Wochen her) Abschied schweren Herzens von meiner Liebsten, mit der ich die Woche rund um meinen 50. an der Cote d‘ Or verbracht habe, stand ich wieder da, alleine und auf meinem Weg. Ein mulmiges Gefühl, wenn man sich in einer Woche gerade wieder den luxuriösen Selbstverständlichkeiten unseres Alltags angenähert hat. Dazu gehören ein vier-Platten Herd und ein Kühlschrank, genauso wie die schier unbegrenzte Anzahl Wäsche, die du anziehen kannst, ohne gezwungen zu sein sofort wieder irgendwas auszuwaschen oder auch mal wieder ein After Shafe/Eau de Toilette zu benutzen, was ansonsten aus Gewichtsgründen unter Klimbim gebucht wird und nicht im Rucksack auftaucht. Es ist interessant all das schätzen zu lernen, was wir für so normal halten, wie die Luft zum Atmen.
Und jetzt habe ich bis Anfang September Zeit, zu lernen ohne all das auszukommen, um es dann zu schätzen – oder etwas anders zu machen – wenn es wieder zur Verfügung steht. Das wird spannend. Genauso spannend wie der heutige Tag. Denn heute geht es über Taize nach Cluny und weil ich in der vergangenen Woche die Cote d‘ Or rauf und runter inkl. Hinterland erkundet habe, shuttle ich von Beaune aus über Chagny und Macon nach Taize und laufe von da aus nach Cluny.
Taize… Da ich aus Pietnam komme, also einer durch und durch pietistisch geprägten Gegend und als erste Form der Rebellion und als katholischer Messdiener natürlich auch im katholischen Jugendheim unterwegs war, ist mir seit frühen Jugendtagen Taize ein Begriff. Glasige Augen und verschwörerische Blicke bei denen, die ein paar Tage dort gewesen sind, versprachen ein großes Geheimnis, das aber im Zusammenhang mit der zunehmenden Säkularisierung meiner Rebelion verblasste. Bis ich eben bei der Tourplanung merkte, das dieser Ort auf meinem Weg liegt.
Und so setze ich nach gut 35 Jahren meinen Fuß auf das Gelände der Gemeinschaft von Taize. Und was ist? Zeltlager. Junge Menschen und junggebliebene (hüstel) BetreuerInnen. Da ist wohl egal, ob das christlicherseits organisiert wird oder es das Pfingstcamp der SDAJ ist. Gelangweilt guckende Teenager, die trotzdem rumchecken als ob es kein Morgen gäbe. Gesungen wird wenig, was mich wundert, weil Taize ja gerade dafür bekannt ist. Es wird dafür auffallend viel deutsch gesprochen, was in mir auch den Verdacht nährt, daß einige B-Jugenden den Ausflug nach Taize als Saisonabschlußfahrt interpretieren, weil der notorisch klamme Verein das nicht hinkriegt. Das was ich an Sprachfetzen aufschnappe, passt auf jeden Fall mehr Richtung Ballermann als in dieses Christennest. Sei’s drum. Nach einer halben Stunde bin ich auch durch und mache mich auf meinen Weg Richtung Cluny.
Der Weg war nett, aber nicht der Rede wert. Bei gutem Wetter kann es überall schön sein. Das Ziel war wichtig. Cluny, dieses Zentrum mittelalterlichen Geistesschaffens, das der Menschheit geholfen hat den Schritt in die Moderne zu tun. Dieses Zentrum europäischen Denkens, das über ein feines Netz von Filialen seine Diskurse spann, verbunden mit einer ersten Form der Fürsorge, die sich durch ihre Regelmäßigkeit genauso wie durch ihre Regelhaftigkeit von den damals üblichen Almosen unterschied. Das wollte ich spüren. Diesen Kraftort des Denkens. Nun. Von der Abtei hat die französische Revolution wenig übriggelassen und den Rest haben die Deutschen am 11. August 1944 erledigt. Nachdem die Restistance Cluny befreit hatte, hagelte es nämlich Bomben seitens der deutschen Luftwaffe. Dazu gibt es ein großes, sehr bewegendes Denkmal gegenüber vom Tourist-Office, das leider wenig Aufmerksamkeit genießt. Das was von der Abtei übrig geblieben ist, dafür umso mehr. Die Reste vermitteln auch immer noch eindrucksvoll das Bild einstiger Größe. Ein tolles Ziel für Tagesausflügler, was die auch wissen und zahlreich auflaufen.
Nun ist Ruhe eingekehrt und ich sitze bei einem Glas Macon Village blanc im Straßencafe, es ist noch warm und das einzige was mich drückt, ist das Schuhe-Thema. Ich hatte bereits von den abgelaufenen Absätzen berichtet, aber in der vergangenen Woche die Schuhe einem vertrauenswürdig erscheinenden Schuster in die Hand gedrückt, der da neue Absätze drunter nageln wollte. Hat er auch gemacht, aber bereits heute, löst sich der Absatz vom Schuh, noch nicht doll, aber merklich. Das wird noch ein echtes Thema, weil der gemeine Franzose nicht so outdoorfixiert ist, wie die Deutschen, die ja den Gang um den Block in der Mittagspause vorzugsweise hochgebirgstauglich antreten. Also wird die Beschaffungsthematik n echter Spaß. Darauf trink ich wohl noch ein Gläschen…