29. Etappe: Versoul – Abbaye Acey

Nachdem ich mich ja bereits gestern um die entsprechenden Fahrkarten gekümmert hatte, ging es heute nur noch darum zum richtigen Zeitpunkten am richtigen Bahnsteig bzw. Bussteig zu stehen. Da die französische, genauso wie andere eher mediterran ausgerichtete, Bahnen darauf verzichten, den Bahnsteig auf ihren Fahrplänen anzudrucken, sondern ihn lieber kurz vorher auszurufen oder/und mit Hilfe großformatiger Displays kundzutun, kann das schonmal zu hektischer Rennerei führen. Deshalb war ich frühzeitig am Platz, hatte also jede Menge Zeit, um genau dieses Interrail-Gefühl nochmal aufkommen zu lassen, das ich gestern bereits verspürte. Es ist dieses Ungewisse im Planbaren, dieser Bammel vor dem kleinen Mißgeschick, dieses Abenteuer im Standardisierten, was heute genauso aufregend ist, wie vor dreißig Jahren.

Ging dann aber alles ganz glatt und ich hatte Zeit mir das französische Konzept der öfentlichen Personenbeförderung mal durch den Kopf gehen zu lassen, weil es mir im Vergleich zum deutschen einige Vorteile zu bieten scheint. Zunächst sind da nämlich die großen Magistralen, die der TGV bedient, und nur der, auf eigenen Trassen. Das ist der erste große Unterschied. Bei uns fährt ICE und Regionalbahn oft auf einer Spur. Daneben werden die Magistralen 2. Ordnung, manchmal 3. Ordnung ebenfalls per Bahn bedient und der Rest vom Fest muß, da es sich bei Frankreich um ein reichlich zentralisiertes Land handelt, halt Überlandbus fahren. Dadurch aber, daß die Fahrpläne über alle Ebenen ausgetaktet werden, meckert da wohl keiner und es passt ja. So Deppen wie ich, die quer über Departement-Grenzen hinweg shutteln wollen oder müssen und von einem Kaff 2. Ordnung in eins 4. Ordnung wollen, fallen halt durch den Rost und müssen Zeit mitbringen. Aber die hab ich ja.

Dann war ich endlich in Marnay und nach einem kleinen Sandwich mit Terrine de Jura und Tomate wieder auf Schusters Rappen Richtung Tagesziel unterwegs. Das war diesmal ein Männerkloster, genauer ein Trappistenkloster, die eine strengere Richtung der Zisterzienser verfolgen, also noch mehr Schweigen, mehr Arbeiten, mehr Beten und so. Genau meins. Das Kloster, die Abbey d Acey ist ein wirklich sehenswert schlichter Bau, der eben dadurch was Entrücktes ausstrahlt. Die Aufnahme war freundlich und um 19:15h pünklich war Abendessen.

Zu meinem Erstaunen fand ich mich nicht unter bärtigen, feisten Mönchen, die den ganzen Tag gebraut (Trappistenbier), also gearbeitet hatten und sich nun ganz asketisch über kalte Hopfentees und warme Biersuppe, irgendwas im Bierteig und einen Schweinebraten in Dunkelbiersauce gemacht hätten. Ganz im Gegenteil saß ich mit der französischen Ausgabe eines Pfarrgemeinderats und seines Umfelds bei der jährlichen Klausur zusammen. In diesen Gremien wird sicherlich viel gute Arbeit geleistet. Aber es gibt unter ihnen eine nicht unerhebliche Zahl schlimmer Pharisäer und die rieche ich mit ihrer Überheblichkeit und ihrer Scheinheiligkeit drei Meilen gegen den Wind. Pahh. Aber was solls? Ist ja n Schweigekloster. Prompt wurde zum Abendessen auch Musik angestellt, getragen Geistliches, damit keiner auch nur auf den Gedanken kommt zu quatschen. Sind sie natürlich doch. Und dieDorfheiligen haben sich benommen wie kleine Kinder und immer den Finger auf den Mund gelegt. Putzig.

Das Essen war zwar anders als erträumt, aber mit einer Erbsensuppe vorneweg, einem Kartoffel-Lauch-Gratin mit Blätterteigtaschen, die mit nichts als Luft gefüllt waren, einer Käseplatte und als Dessert eingemachte Birnen mit Apfel-Rhabarberkompott mehr als in Ordnung. Das war richtig gut. Um Sozialkompetenzpunkte zu sammeln habe ich dann auch brav beim Abräumen geholfen, aber schnell das Feld geräumt. Für jemand der sich Gedanken zu effizienter Arbeitsorganisation und den logistischen Prozesse dahinter macht, war das Wirken dieses Haufens nur zum Davonlaufen. Nun sitz ich im Klosterpark und schreibe. Die Sonne geht gerade unter und alle viertel Stunde bimmelt die Kirchenglocke und alle halbe Stunde rauscht der TGV in der Ferne. Alles fließt. Om…