20. Etappe: Turckheim – Couvent St. Marc

Ich bin im Kloster. Zusammen mit dem Hausmeister allein unter Nonnen. Eine echt interessante Erfahrung, vor der mir – ehrlich gesagt – ein wenig Bange war. Aber da sich die Streckenführung langsam wieder von den touristischen Hotspots des Elsaß entfernt und das Zusammenlegen von zwei Etappen eher ein Gewaltmarsch als irgendwas Vergnügliches geworden wäre, habe ich Herberge bei den Schwestern von Hl. Josef zu St . Marc genommen. Naja, und irgendwie wollte ich das auch. Gucken wie das ist.

Und nun hock ich wieder in meiner Kammer. Das gemeinsame Abendessen ist rum und weil es hier kein Netz hat und es auch keinen Fernseher gibt, übe ich mich in Stillarbeit. Eine Stille, die anders ist als die Ruhe, die ich auf der Wanderung höre, weil ich auch dort auf die Geräusche des Waldes, die singenden Vögel und das Kreischen der Fichtenmopeds höre. Die Stille hier fühlt sich jetzt anders an, weil sie einen so zurückwirft auf sich selbst. (Also gut, ich tippe jetzt gerade was, aber heute nachmittag und dann auch gleich wieder, ist das so.) Und für einen fb-heavy user gilt das noch vielmehr. Es gibt schlicht keine Ablenkung. Weil ich nämlich heute nachmittag den Krimi, der noch ungelesen auf dem Tablet schlummerte, schonmal weiter gebracht habe. Und da ist nun nix ungelesenes mehr. Also werde ich wohl gleich sinnierenderweise auf meinem Bett liegen. Es ist gerade mal Viertel vor Acht und noch total hell.

Heute morgen ist der Tag trocken und kalt gestartet und aus Turckheim heraus ging es recht schnell in den Wald, nicht ohne einen Blick auf die schneebedeckten Ballons des Vosges zu erheischen. Dieser Schnee stimmte mich ob des weiteren Wetterverlaufs am Tag nicht optimistisch, aber ich sollte falsch liegen. Es blieb trocken. Das ist ja nun auch schonmal was. Ansonsten gibt es wenig Landschaftliches zu berichten, weil ich überwiegend im Wald unterwegs war und die Unterschiede zwischen einem Mischwald im Elsaß und dem im Siegerland oder der Rhön erschließen sich mir nicht.

Gegen Mittag tauchte dann die erste fünfköpfige Pilgertruppe vor mir auf. Beim Näherkommen bemerkte ich vier BaWüler, die mir schon seit zwei Tagen in den Unterkünften aufgefallen waren und einen Jungspund, der mir heute morgen schon beim Loslaufen entgegengekommen war. Wie der die Kurve gekriegt hat? Keine Ahnung. Da die BaWüler mir in den vergangenen Tagen schon den Guten Tag nicht angeboten hatten, habe ich in dieser mittäglichen Begegnung auch nicht den Beginn einer wunderbaren Pilgerfreundschaft gesehen. Also: Blinker gesetzt, ein kurzes Servus und überholt. Mit einem kurzen Zwischensprint am Berg hatte ich auch  genügend Abstand, um mich wieder zu entspannen.

Und dann stand ich vor der Klostermauer und klingelte. Wie von Geisterhand öffnete sich ein Tor und ich trat ein. Das Tor schloß sich wieder hinter mir. Ich ging weiter und kam zu einer Art Empfang, wurde von dort weitergereicht zur Rezeption der Pilgerherberge. Dort wurde ich bereits erwartet und nach Erhalt des Zimmerschlüssels war ich dann auf mich gestellt. Das Zimmer hat WC und Waschbecken inside, aber mir war nach Duschen. Zack, und schon stellen sich Fragen der Schicklichkeit. Ziemt es sich im Frauenkloster in U-Hose zum Duschen zu gehen, was ja in der Jugendherberge kein Thema ist, oder gehts da nur in voller Montur auf den Flur? Da sind so Fragen die einen katholischen Ex-Messdiener schon eine Weile beschäftigen können. Da ich aber nicht nur katholisch, sondern auch für sex, drugs, rocknroll bin, habe ich mich für die Jugendherbergsvariante entschieden. Das war aber auch eh egal, weil ich auf dem Stockwerk allein war.

Dann hab ich frischgeduscht meinen Krimi zu Ende gelesen und drauf gewartet, daß 18:45h wird, weil hier um 18:00h Abendandacht ist und es erst dann was zu Essen gibt. Zur Andacht muß man als Gast nicht, hab ich auch nicht gemacht, aber zum Abendessen war ich überpünktlich. An dem einen Tisch saßen die Nonnen, etwa 15 Frauen. Und am anderen Tisch saß dann das weltliche Bodenpersonal, der Hausmeister, eine Frau, die zur Rekonvaleszenz für drei Wochen im Konvent eingecheckt hat, und ich. Es gab ne Erbsencremesuppe vorneweg, eine Art von armen Rittern, die aber wie ein Cordon Bleu aus zwei dünnen Brotscheiben mit Käse und Schinken dazwischen ausgebacken waren, mit Salat als Hauptgang und – das Highlight des Abends: eingemachte Pflaumen, wie die meine Mama gemacht hat. Super. Dazu stand Wasser und ne Flasche Bordeaux aufm Tisch. Wein stand übrigens auch bei den Nonnen auf dem Tisch und das nicht nur zur Deko. Das waren überwiegend junge Frauen, die da saßen und in ihrer Tracht, inkl. Kopftuch, wirkten die alle sehr schön. Das hatte jetzt weniger mit den Klamotten als mit dem Strahlen in deren Augen zu tun, was ich immer nur bei Leuten beobachte, die so restlos von der Idee überzeugt sind, für die sie arbeiten. Und ich finde das immer wieder wirklich schön, weil mir im Alltag viel zu oft, Menschen mit müden Augen und ausgebrannten Blicken begegnen. Das sollten wir nicht zulassen, daß die operative Arbeit die Schau auf die großen Ideen dahinter verstellt, und wir sollten diese Ideen auch angemessen feiern. Oder Orte schaffen, an denen wir uns ihrer versichern können. Da ist so ein Kloster schon ein gutes Beispiel.

Ein Gedanke zu „20. Etappe: Turckheim – Couvent St. Marc

  1. Hallo Klaus,
    ab und an spitze ich mal rein,was sich in Summe wirklich unterhaltsam lesen lässt, … zu der 20. Etappe Turckheim – Couvent St. Marc…ich musste so schmunzeln, wie Du von deiner anfänglichen Skepsis gegenüber der Einkehr im Frauenkloster schreibst, wobei ich mir solche Fragen auch gestellt hätte, wie in welcher Kleidung geht man(n) denn da duschen, zudem war ich auch mal katholischer Messdiener gewesen und an der Charge sex,drugs and rock`n roll finde ich natürlich auch Gefallen..lach 😉
    Der letzte Absatz stimmt mich wieder sehr nachdenklich, ……

    Wünsche dir noch einen geilen Trip

    Gruß Christian

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