Raus. Raus. Nur raus….es gibt Termine, die einen in den Wahnsinn treiben und das nicht mal so sehr wegen dem, was besprochen wird, sondern wegen mangelnder Struktur und Professionalität mit der die scheinbar wichtigen Akteure dort auftreten… Also Raus und zwar schnell. Ab ins Auto. Nach Hause. Raus aus dem Anzug. Rein in die Wanderklamotten. Den vorbereiteten Rucksack auf und ab zum Bahnhof… Natürlich in Eile. Das Ergebnis ist klar: Du stehst völlig verschwitzt, aber 10 Minuten zu früh am Bahnsteig und wartest auf den Zug… Zeitmanagement geht anders, aber das lern ich nicht mehr. Nie.
Nach einer viertelstündigen Zugfahrt bin ich dann in Hassfurt und warte auf das Taxi, dass mich zum Ausgangspunkt der Wanderung bringen soll. Taxis sind ja eher urbane Fahrzeuge, so dass sie in einer knapp 15.000 Leute Kleinstadt ein wenig deplatziert sind und da man weder betrunken noch gehbehindert daherkommt, wird man selber von den Eingeborenen auch kritisch beäugt. Der Taxifahrer ist dann auch ein Outlaw ganz besonderer Art. Ein kurdischer Genosse, den es in die Provinz verschlagen hat und der neben dem Taxidienst, die Bahnhofskneipe und ein Bistro betreibt, zusätzlich noch dieses Regenmacherinstrument spielt und jede Gelegenheit nutzt, um in die Heimat zu fliegen.
Und natürlich hat er die optischen Eindrücke seiner Heimat dabei, mit Musik hinterlegt und kann das während der Fahrt über kurvige Landstraßen auch auf seinem Iphone präsentieren. Und so fährst du – knapp eine Stunde nach dem grausligen Termin – durch das Steigerwald-Vorland und bist schon ganz woanders.
Nach einer herzlichen Verabschiedung geht’s dann endlich los. Rucksack auf und gemessenen Schrittes Richtung Nachtquartier, das nach knapp 2 Stunden auch erreicht ist. Ein kleiner Gasthof am Fuße des Zabelsteins, der von daher Bedeutung hat, weil ich da mit meinen Eltern mal gegessen haben, als sie mich in der neuen Heimat besucht haben. Die Erinnerungen an meine Mama sind dabei so präsent, also ob sie tatsächlich da wäre und ich nicht im Speisebereich Platz nehmen kann, sondern im Thekenbereich einen Platz suche. Das erweist sich nicht als Fehler, ist doch auch in Franken, wo es erstaunlich wenig Stehtheken gibt, das der Bereich, wo du am ehesten ins Gespräch kommst und so vergeht der Abend mit Gebrauchtwagenkaufempfehlungen, Freizeittipps und dummen Zeugs zur Lage der Nation bei Schweinebraten und Kellerbier ohne weiteren Trübsinn. Das Zimmer ist einfach und sauber, wobei das größte Geschenk die absolute Stille ist die gegen 22.00h einkehrt. Geöffnetes Fenster und du hörst nicht einmal mehr die Vögel, weil die sich auch hingelegt haben. Das beruhigt ungemein….
Um 5.45h (blöde Uhrzeit, war aber so) geht’s dann los. Die lange Tagesetappe steht an und beginnt gleich mit einem steilen Anstieg auf den Zabelstein, der aber mit einem fantastischen Blick über das Schweinfurter Becken belohnt wird. Danach senkt sich der Weg über den Rücken des Zabelsteins gemächlich Richtung Michelau, einer kleinen Weinbaugemeinde am Rande des Steigerwalds, die im Schatten ihrer großen Schwestern im Westen steht. Aber auch dort ist die Dualität von lichten Wäldern und Weinbergen, dass was das Herz aufmacht. Ein herrliche Landschaft, die den Hintergrund für allerlei Sortierarbeiten im Kopf und ein flottes Vorankommen liefert. Über Handthal geht’s dann nach Ebrach, einem alten Kloster und natürlich gerate ich – wir haben Christi Himmelfahrt – in eine Wallfahrt. Im Unterschied zu den Prozessionen in heimischen Gefilden scheinen diese Fußwallfahrten um einiges schneller voranzukommen und auch deutlich weltlicher motiviert zu sein. Das freundliche Geplapper und die gut gefüllten Brotzeittaschen sprechen auf jeden Fall dafür. Das wohl unvermeidliche Gesinge beschränkt sich deshalb auch auf die letzten 200 Meter vorm Kloster, was ich schon aus dem klösterlichen Biergarten heraus hören konnte, weil ich einfach überholt habe. Dieser Biergarten bietet mittägliche Entspannung bei Weinschorle und Salat.
Danach geht es auf zu den letzten knapp 20km des Tages Richtung Abtswind. Das schöne an langen Streckenwanderungen ist ja dieser kontemplative Trott der sich irgendwann einstellt Du gehst in einem Tempo, dass du nicht wirklich steuerst, sondern das sich eingependelt hast und ziehst deinen Kreis, der in diesem Fall geradeaus geht. Landschaftlich wird’s dann langsam weniger waldig und mehr und mehr gewinnen die Weinbergswege optische Dominanz. Leider stört die A3, die an einer Fußgängerbrücke überquert werden will, akustisch doch gewaltig, aber nicht durchgängig. Und irgendwann tun die Füße dann doch weh und dann ist es gut, dass das Ziel nicht mehr weit ist. Abtswind; ebenfalls eine Weinort, allerdings ohne große Namen, weder Weinlagen, noch Winzer, aber als Etappenort durchaus geeignet. Insbesondere auch deshalb, weil sich mit der „Schwane“ ein durchaus ansprechendes Restaurant findet, wo es zu einem Fläschchen Weißburgunder aus Greuth, ein schön buttrig gebratenes (nicht frittiertes) Schnitzel und einen schön schlotziger Kartoffelsalat gab. Leider war dort kein Zimmer mehr zu bekommen, so dass ich in einem Hotel Garni untergekommen bin, das zwar auch sauber, aber wenig einladend war.
Also weiter nach Iphofen. Nach einer durchschlafenen Nacht geht es gegen 8:00h über den Schwanberg nach Iphofen. Der Schwanberg ist einer der heiligen Berge der Franken und bereits seit Urzeiten besiedelt Seine nach Norden, Süden und Westen abfallenden Steilhänge bieten nicht nur reichlich Platz für Weingärten, sondern auch Schutz vor bösen Feinden. Heute findet sich dort ein Friedwald und ein evangelisches Kloster, was die spirituelle Tradition des Ortes fortschreibt. Da es mir aber eher weltlich ist und ich weiß, was mich in Iphofen erwartet, gibt’s keine innere Einkehr, sondern der Abstieg vom Schwanberg beginnt. Eine meiner neueren Entdeckungen beim Wandern, die Knie beim Bergabgehen weniger durch Bremsen zu belasten, sondern Laufen zu lassen, bewährt sich auch hier und ich komme rasch voran. Dann Iphofen. Ziel einer nur knapp zweitägigen Wanderung und trotzdem marschiere ich durch Rödelseer Tor ein, wie der Tour de France Sieger den Champs-Élysées runterfährt.
Und statt Siegertreppchen gibt’s eine Belohnung kulinarischer Natur im Deutschen Hof, den ich an dieser Stelle mal ganz ausdrücklich loben will. Ganz unaufgeregte aber voll geile Küche… Grüner Spargel und Kartoffeln mit Walnusspesto ohne Schnigges.. Dabei echte netter Service.. Herrlich.
Aber alles hat ein Ende… Ich trotte dann zum Bahnhof, wie ein trödelnder Schuljunge, freue mich am rebellischen Geist der Iphöfer Jugend, die an der Bahnhofsunterführung kundtut, dass sie nicht den Kuchen, sondern die ganze Bäckerei will und Gegen Nazis sowieso ist… Die Fahrt mit dem Nahverkehrszug nach Hause ist unspektakulär und nach Entmüdungsbecken, sprich Badewanne, und Erdbeerkuchen ist die kleine Flucht vorbei……
Danke für den unaufgeregten, intensiven und nachfühlbaren Text. Macht einfach Freude, Dein Geschreibe…