91. Etappe: Carrios de los Condes – Sahagun

Uppsa. Die zwei Öchtele als Absacker an der Theke, verbracht mit einer Slowakin, die seit 16 Jahren in London lebt und nun nun nach dem Brexit ernsthaft überlegt, wieder in die Slowakei zu gehen, waren zwar klug angelegt, weil es ein interessantes Gespräch war, aber eben zum falschen Zeitpunkt, geht es doch heute um knapp vierzig Kilometer. Aber ein weiterer hilfreicher Impuls, erstens die Einschätzung zu verbreiten, daß die BritInnen nicht gewußt haben, was sie da tun oder eben strunzdoof sind. Zweitens, und das ist evtl. fundierter, die Aufforderung zu veröffentlichen doch bitte schön, diese Europäische Union Lissabon-Strategie und Bologna-Beschlüsse schleifen zu lassen und eine Strategie Guten Lebens, adaptierend die Konzepte des buen vivirs aus Lateinamerika, zum Gegenstand des politischen Diskurs und der administrativen Umsetzung zu machen. Die slowakische Kollegin hat als Managerin eines Textilkonzerns jedenfalls sofort verstanden, worum es geht.

Unabhängig von alle dem bin ich um halb acht auf der Straße und versuche von Anfang an die Gesamtlänge der Strecke aus dem Kopf zu kriegen, sondern an die nächste Landmarke, sei es ein Aussichtspunkt oder eine Ortschaft zu denken. Die sind dankenswerterweise im Wanderführer vermerkt, so daß ich mich daran orientiere. Und so habe ich gleichzeitig immer eine Orientierung, wie ich unterwegs bin, ob ich renne oder schleiche und wieviel Zeit ich mir für die Pausen lassen kann. Die erste längere Pause kommt ganz vorschriftsmäßig nach zwei Stunden und wird fast fränkisch. Mitten in der Pampa, aber eben zum richtigen Zeitpunkt hat jemand, der mitgedacht hat seinen Container aufgestellt, um den herum er sein Freiluftcafe betreibt. Soweit so gut. Was macht der Kerl morgens um halb zehn? Richtig, er hat den Grill schon im Betrieb und ich sehe dünne, helle Würstchen. Ich frage nach. Ja, Schwein. Nein, kein Piment, keine Chorizo. Ja, könnt ich im Weck haben. Und dann sitze ich, westfälischer Arbeitsmigrant nach Unterfranken, da und mümmel mit einer Freude an meinem Bratwurstweck, daß mancher geborene Franke blass werden würde. So ein Spaß. Vor allem auch die befremdlich bis angewidert guckenden Menachen anderer Frühstückskulturen… Manchmal muß man halt Flagge zeigen.

So hangele ich mich durch die wohl flachste Ebene, die ich je zu Fuß betreten habe, von Landmarke zu Landmarke, kehre hier ein und dort, kriege an einer Stelle noch ganz tolle Empanadas, die hausgemacht sind, habe dort auf einem Hügel von Haushöhe einen fantastischen Rundumblick und komme so ins Ziel. Natürlich bin trotz aller Psychohampelei und Selbstbetrug körperlich a weng geschafft. Da trifft es sich ganz gut, daß die avisierte Herberge vorm Stadttor, also dem mittelalterlichen liegt und ich die Besichtigung auf morgen verschieben kann. Ich checke ein, entdecke ein funtionierendes Resto und beschließe diesen Fleck Erde heute nicht mehr zu verlassen. Und das war fast weise. Ein wenig geduckelt, ein wenig gelesen, fast spanisch erst um acht zum Essen geschlendert und mittlerweile wiederhergestellt. Ab morgen wirds allerdings lustig. Die gute Fußcreme, die ich in Straßburg ahfgetan hat, geht zu Ende. Also gilt es in einer der hiesigen Farmacias ein ähnliches Produkt aufzutreiben. Da das sprachlich ja anstrengend werden kann, hab ich Tube nun nah am Mann. Ich schweife ab. Essen war ok. Ne gescheite, halbwarme Gemüsesuppe mit Erbsen, Möhren, Pilzen und Porree (für den Sahagun berühmt ist) vorneweg und dann Bauernhühnchen von hinterm Haus, gegrillt. Das finde ich in Spanien nämlich super. Die schneiden das Hähnchen an der Wirbelsäule auseinander (schon tot natürlich. Nur das hier keine Mißverständnisse auftauchen) und drücken die Hälfte platt und legen die so auf den ganz normalen Grill. Die Hitze verteilt sich halbwegs gleich und kein Mench braucht einen Weber-Spezial-und-Extrateuer-Krams. Lecker wars auch. Nu bin ich satt und auch schon wieder müde. Was soll ich mehr wollen? Oder wie schön kann das sein…