Wir müssen mehr ändern als den Antriebsstrang!

Zusammen mit Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, und Anderen habe ich eine Stellungnahme zu der geforderten „Abwrackprämie 2.0“ entwickelt und auf Alternativen dazu hingewiesen.

Mit dabei sind

  • der Konzernbetriebsratsvorsitzenden der Schaeffler AG, Norbert Lenhardt,
  • und der Betriebsratsvorsitzende der ZF Friedrichshafen AG, Schweinfurt und
    Vorsitzende des europäischen Betriebsrats, Oliver Moll
  • sowie der Betriebsratsvorsitzenden von Kennametall am Standort Ebermannstadt, Thomas Bauernschmitt.

Die drei Kollegen repräsentieren allein im fränkischen Raum rund 30.000 Beschäftigte!

Die Transformation der Automobilindustrie hat längst begonnen und die Pandemie kann nicht der Anlass sein, das Rad zurückzudrehen, sondern eher im Gegenteil Beschäftigung und Standorte durch Innovation und Investition in Produkte für eine nachhaltige Zukunft zu sichern!

Ich bitte um weitere Verteilung, Feedback und Kommentare.

 

Wir müssen mehr ändern als den Antriebsstrang –

Beschäftigung sichern durch Strukturwandel statt Konsumstrohfeuer

Die aktuelle Diskussion um eine Autoprämie darf keine Wiederholung der Abwrackprämie bringen. Das trifft nicht den Kern der Sache. Die Automobilindustrie wird weder allein durch eine Prämie für Elektroautos noch für Hybride, und in keinem Fall durch eine Prämie für fossile Autos gerettet. Wir müssen deutlich mehr ändern als die Technologie am Antriebsstrang!

Jahrzehntelang führten Autos aus Bayern und Kfz-Teile aus Franken die Weltspitze der Automobilbranche an. Damit das so bleibt, muss sich was ändern – denn die Welt dreht sich weiter und Franken mit. Große Veränderungen tun sich auf: Die globalen Weltmärkte und internationalen Lieferketten werden durch Handelsblockaden und Brexit-Umsetzung konfrontiert, neben der Antriebstechnik wandelt sich die Nachfrage nach Mobilität und neue digitale Anwendungen halten Einzug in Produktionsprozesse und alltägliche Mobilitätskonzepte. Verschärft wird die Krise durch die Corona-Pandemie. Nach Meinung von ExpertInnen kann das Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 um –7% einbrechen.

Aber: Die Autokrise war bereits da, als der Auto-Absatz in Deutschland noch stabil war. 75 Prozent der Produkte der deutschen Automobilindustrie gehen ins Ausland.

Die Autobranche braucht Ideen, die ihre Vielfalt und die verschiedenen Standbeine der Mobilität widerspiegeln

Die Autobranche ist vielfältig. Die Hersteller wie VW, Daimler, Audi und BMW sind in einer gänzlich anderen Situation als kleine Zulieferbetriebe.  Das reicht von der Eigenkapitaldecke bis hin zur Tarifbindung. Wer die Transformation einleiten will, darf deshalb nicht nur über ein Instrument reden, sondern muss das Ziel der Transformation der gesamten Branche im Auge haben. Die Zulieferer leiden seit Jahren unter dem großen Kostendruck der Hersteller. Manche haben sich aufgrund der großen Dominanz der Automobilindustrie aus dem Zulieferergeschäft zurückgezogen.

Zulieferer entwickeln laufend innovative Produkte

Trotzdem haben viele auch unter schwierigen Bedingungen Produkte für veränderte Gegebenheiten entwickelt. Große Zulieferer wie Schaeffler mit dem elektromechanischen Nockenwellenversteller, der sowohl im Verbrenner als auch im Hybridauto einsetzbar ist oder ZF Friedrichshafen mit dem Drehmomentwandler für Verbrenner und Hybridantriebe, sowie Produkten für batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge. Andere Zulieferer haben seit jeher mehrere Standbeine. Beispielhaft hierfür steht der Standort von Kennametal im Landkreis Forchheim mit 500 MitarbeiterInnen, die neben der Autoindustrie auch Werkzeuge an die Frackingindustrie, aber auch an die Kakaoindustrie, Luft- und Raumfahrttechnik und die Busindustrie liefert und ebenso Schneidkörper für Wälzlager für Windkraftwerke produziert.

Ein Investitions- und Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie muss diese Diversität beachten und die Transformation der Branche, sowie den Umbau in neue, nachhaltige Produktwelten voranbringen. Dabei muss die Sicherung von Beschäftigung und Standorten im Vordergrund stehen.

Die Krise der Autoindustrie ist keine Corona-Krise. Der Fehler liegt im System. Alte Instrumente wie die Autoprämie verlängern das Leiden, die Sicherung von Standorten und Beschäftigung wird jedoch nur mit einem Maßnahmenpaket gelingen, das Innovation und Transformation fördert!

Denken wir die Autoindustrie endlich mutig als Mobilitätsindustrie. Viele Zulieferer tun dies bereits. Die Industriesparte der Schaeffler AG beispielsweise liefert in den Bereichen Energiegewinnung, über Fahrrädern und Bahn bis zu Automatisierungstechnik zu.

Dabei geht es neben der Weiterentwicklung des Automobils an sich auch um neue Produkte und Dienstleistungen vom Lastenfahrrad bis zum Carsharing und von der Ladesäulenproduktion bis hin zur Softwareentwicklung. Die intelligente Vernetzung von Mobilitäts- und Energiewende ist dabei Bedingung fürs Gelingen! So wird beispielsweise nur durch die flächendeckende Bereitstellung von sauberem Strom eine CO2-neutrale Produktion von Stahl realisiert auf die Autohersteller, ebenso wie Windkraftanlagenbetreiber angewiesen sind, wenn sie klimaneutrale Herstellprozesse nachweisen müssen.  Unterstützen wir also die Zulieferer, indem wird die Energiewende stärken und neue Synergien schaffen.

Es sind in erster Linie die Menschen, die die Branche stark machen

Die Zukunftsfähigkeit der Branche hängt an ihrer Innovationskraft. Das größte Kapital sind die Menschen und ihre Know-How!  Diese Kompetenzen reichen von den Montagen und Fertigungen bis in die Büros. Zusammen mit den Beschäftigten muss nun überlegt werden, welche zukunftsfähigen Produkte mit den vorhandenen Kompetenzen, auch jenseits des Automobils entwickelt und produziert werden können. Das ist eine sehr grundsätzliche Arbeit, weil es schwer fällt nach vielen Jahren Neues zu denken, aber die Produktionsumstellungen der letzten Wochen (Herstellung von Schutzmasken) sind ein gutes Beispiel dafür, dass es geht.

Der weitere Kompetenzaufbau durch Qualifizierung und Qualifizierungszeiten ist dabei gerade auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die in den letzten Wochen einen ungeheuren Schub erlebt hat, für alle Beschäftigtengruppen vom Un- und Angelernten bis hin zum Hochschulabsolventen dringend nötig!

Die Corona-Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, Sparpakete und Entlassungen zu rechtfertigen.

Die Beschäftigten wissen seit Monaten um die Krise in der Autoindustrie. Es liegen viele umsatzstarke Jahre und bewusst herbeigeführte Überkapazitäten in der Pkw-Produktion hinter dem Sektor, die bereits vor der Corona-Krise aufgelaufen sind. So wurden fast flächendeckend Beschäftigungssicherungen ausgesprochen, die im Gegenzug mit Kostenreduzierungen und Sparpaketen erkauft wurden. Nun sind diese Vereinbarungen durch Corona in Gefahr. Falls es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen sollte, werden wir uns klar dagegen wenden.

Eine Hilfe für die Automobilindustrie muss das verhindern. Die Beschäftigten sind in der Krise in Vorleistung gegangen sind und müssen jetzt als Träger der Transformation und des Wandels mitgenommen werden. Es darf nicht sein, dass die Beschäftigten jetzt zu den Verlierern der Situation gemacht werden. Das heißt auch und gerade jetzt, dass die betriebliche Mitbestimmung essentiell ist. Ein regionaler Industriedialog mit BetriebsrätInnen und der Bevölkerung ist jetzt wichtiger als je zuvor.

 Lisa Badum MdB
„Als Klimapolitikerin und Abgeordnete für Oberfranken – einer Region im Umbruch, in der ein Fünftel der Beschäftigten in der Automobilzuliefererbranche arbeiten – weiß ich, wie wichtig es ist, dass eine Region Zukunftsakteure stärkt und eine Zukunftsvision hat.“

Norbert Lenhard
„Als Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Schaeffler AG vertrete ich allein in Franken ca. 22.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir müssen uns bereits jetzt auf die nächsten Schritte nach Bewältigung der Folgen der Pandemie vorbereiten. Für die Zeit nach der Rezession werden die Weichen jetzt gestellt. Wir brauchen Zukunftsvereinbarungen, die Standorte und Beschäftigung sichern und den Wandel unterstützen.“

Oliver Moll
„Ich bin Vorsitzender des Betriebsrats am Standort Schweinfurt und des europäischen Betriebsrats der ZF Friedrichshafen AG. Als überzeugter Europäer sehe ich den New Green Deal als
Kompassnadel für Investitions- und Konjunkturprogramme. Wir müssen die Zukunft sozial und ökologisch angehen, weil nur das auch ökonomisch eine Perspektive im Weltmaßstab hat.“

Klaus Mertens
„Als Referent für den Betriebsrat der ZF Friedrichshafen erlebe ich die Corona-Krise nicht als Auslöser, sondern als Katalysator großer Veränderungen in der Branche. Bereits im zweiten Halbjahr 2019 sind vielerorts Sparpakete und zumeist sozialverträglicher Personalabbau vereinbart worden. Das wird sich in dieser Situation verschärfen und wir brauchen nun erstens Sicherheit für Standorte und Beschäftigung und zweitens, Innovationsoffensiven, die den Wandel der Branche und die Konversion in neue nachhaltige Produktwelten eröffnen.“

Thomas Bauernschmitt
„Als Betriebsratsvorsitzender von Kennametal am Standort Ebermannstadt weiß ich, wie dringend die Arbeitnehmer Antworten auf die unzähligen Fragen erwarten. Gerade jetzt in diesen unruhigen Zeiten gilt es Bündnisse zu bilden und Ideen zu entwickeln, wie Beschäftigung gesichert werden kann und sich die Unternehmen zugleich für die Zukunft aufstellen können. Dafür muss es ein gemeinsames Interesse von Politik, Arbeitgebervertretern sowie Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern geben, um den Menschen die Angst auf Arbeitsplatzverlust und finanzielle Schwierigkeiten so gut es geht zu nehmen.“