37. Etappe: Tramayes – Ouroux

Es hatte natürlich zugezogen. Zwei Tage gutes Wetter am Stück wäre auch vermessen gewesen. Außerdem war der Vormittag ja anders verplant. Also war ich hinsichtlich des Wetters entspannt, stand doch der Schuhkauf an. Um Neune gings dann endlich los und mit einer siebzigjährigen Engländerin auf Frankreichs Straßen unterwegs zu sein, nebenbei auf Englisch über die Zukunft des Sozialstaats und der europäischen Union, sowie den braunen Kühen zwischen den weißen Charlois (das sind übrigens Limousinrinder, die den Chalorais wieder auf die Sprünge helfen sollen, weil die gesundheitliche Probleme haben) und the rising of Manchester City (die beiden kommen aus Manchester) und trotzdem entspannt zu bleiben, ist ein Zeichen wie gut dieses Unterwegs sein für die worklife-balance ist. Sie hat mich dann beim Decathlon rausgelassen und ist in den Gartencenter weitergefahren. So blieb mir etwas Zeit den neuen Schuh auszusuchen. Mit Füßen und Knöcheln, die seit 31 Jahren mit DocMartens zu tun haben, brauch ich mit den meisten Schuhen, die es bei Decathlon gibt gar nicht erst anzufangen. So blieb zum Schluß ein Schuh über, den es in meiner Größe auch gab und den ich mir sofort an die Füße zimmerte.

Wieder eingesammelt von Christine (so heißt die Lady) gings zurück nach Tramayes. Dann gab es eine herzliche Verabschiedung von den Beiden und nachdem ich die alten Schuhe Richtung Heimat verschifft hatte (also auf der Post ein Päckchen aufgegeben habe), machte ich mich endlich auf den Weg. Das es mittlerweile regnete, brauch ich wohl nicht zu erwähnen, aber trotzdem war und bin ich fasziniert von dieser Landschaft. Toll das anzuschauen. Grüne Weiden, tolle Wälder und Weiler und Dörfchen, die als Kulisse für jeden Mittelalterschinken dienen könnten. Toll. Nach vier Stunden war aber auch Schluß und ich im Zielort. Entspannt, weil ich ja gebucht hatte, suchte ich mein Hotel, das es aber nicht gab. Also das gibt es schon, aber rund 100km weiter nördlich in einem Ort gleichen Namens. Kann vorkommen, ist aber blöd. Nach Rücksprache mit dem örtlichen Wirt und seinen Hinweisen bin ich nun aber im Gemeindehaus unter, die zwei Betten für Pilger vorhalten, und bin seit eben in seiner Kneipe, er kocht gerade und ich kriege was ab. Den Seinen gibts der Herr im Schlaf… Anscheinend gehöre ich dazu, denke ich mir manchmal. Und jetzt wo ich im Gemeindehaus eingetrudelt bin, denk ich der Herr ist ein Punk oder ein Hippie oder sowas.

Nachtrag: Was für ein cooler Abend. Die ganze Zeit über gute Musik und wechselndes Publikum, dann kam eine Spielegruppe, die ne Menge Spaß hatten und mein Essen. Vorneweg ne luftgetrocknete Schweinesalami mit eingelegten Senffrüchten, weiterhin gute Musik und ne Spielegruppe und n Wirt mit zunehmend guter Laune, was mir a weng Sorge um die weitere Nahrungsaufnahme machte. Dann kam aber eine Reis-Kartoffel-Pfanne mit im Sud gegarten Schweinswürsten, von denen mein Herr Papa behauptet hätte, daß er das Schwein noch schreien hört, und ich war beruhigt und zufrieden. Die Musik, die Spielegruppe, der Wirt und ich wurden immer besserer Laune. War das schön. Eine alternde Sozialdemokratin in, ich sag mal, Marco Polo und Esprit Klamotten, ein JungHippie in weitem Strick, ein Dreadlock-Mädchen und ein angepunkter Hipster spielen zusammen und zischen kleine Bierchen, an der Theke n paar Musiker älteren Kalibers, die jedes Lied kommentieren und Normalos, die was Essen wollen. Der Wirt, n Hut mit Federn dran aufm Kopf, spielt immer weiter einen Kompromiss aus subkulturellen Klassikern, französischen Sachen, die ich nicht kenne und sowas Modernem, a bisserl Punk, bisserl HipHop und so… Dann gings ans Bezahlen und der Herr Wirt machte eine arg großzügige Rechnung, was ich mal als Kompliment genommen habe. Statt Trinkgeld hab ich ihn dann mit vor die Tür genommen und ihm den Smashhit meiner Lieblingsband (Som von Obrint Pas) vorgespielt. Daraufhin von ihm in den Arm genommen und wieder in die Kneipe geleitet zu werden war eins. Er hat sofort mit dem Spieletisch gesprochen und ich konnte mich von allen mit Handschlag verabschieden. Ich hab kein Wort verstanden, aber ich glaube wir – der Wirt, die Spielegruppe und ich – stehen auf derselben Seite der Macht.

2 Gedanken zu „37. Etappe: Tramayes – Ouroux

  1. Auch wieder so ein Moment, wo man sich freut auf dieser Welt zu sein:)

  2. Klaus, danke fürs Teilhabenlassen!
    Großartig. Fetten Drücker

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