94. Etappe: Leon – Hospital de Orbigo

Das war ein schwerer Aufstand. So schön dieser Tag in Leon gewesen ist, unvergesslich, aber ich hatte um sechs noch das Gefühl, weiterschlafen zu können, was ich dann auch getan habe. Um neun gings dann aber auf die Piste, nicht ohne mein spanisches Frühstück, Milchkaffee und Orangensaft, frischgepresst, einzunehmen. Tja und dann geht es rund zwei Stunden durch Vorstädte und Industriegebiete im Strukturwandel. Das ist so, als ob jemand den Weg von Essen Richtung Norden als Wanderweg ausschreibt und du durch Stoppenberg und Katernberg musst. Möbel- und Matratzenoutlets, Autoaufpimpereien und n paar Hallen die günstig zu mieten sind. Nicht schön, aber so ist das Leben.

Danach wirds dann wieder ländlicher, aber mein Weg führt an der N120 entlang, einer Straße auf der ich, ich erwähnte es bereits, schonmal mit dem Motorrad Richtung Santiago gefahren bin. Ich denke also an meine Motorradzeit, überlege ob ich hier schonmal gewesen bin und komme wieder auf die Langsamkeit, weil es eben ein Unterschied ist, ob ich mit 4 oder mit 80km/h unterwegs bin. Das eine ist nicht schlechter als das andere, aber ich habe tatsächlich das Gefühl, daß ich mehr mitkriege. Außerdem ist der Fotoapparat schneller zur Hand. Bei einer Einkehr unterhalte ich mit einem Belgier über genau das Thema, weil er gar nix dabei hat, weil er keine Fotos machen will, keine fb-Paniken und -Unfug mitkriegen will und telefonisch nur über seinen alten Nokiaknochen erreichbar ist. Gestern hat er aber mitgekriegt, was im Freistaat los ist. Würzburg-Müchen-Ansbach… Ich berichte und finde es sehr angenehm, daß es nicht um Hautfarbe, Religion und Ballerspiele geht, sondern um diese bekloppte Welt. Dadurch wird die Mittagspause natürlich etwas länger und ich komme später ins Ziel. Diesmal schlafe ich in einem Fernfahrer-Hostal an der Bundessstraße und finde tatsächlich eine Szenerie vor wie dieses Bild von Hoppers Nachtschwärmern, allerdings ein paar Stunden vor Sonnenuntergang. Aufs Zimmer, und zugegenbenermaßen der späten Ankunft geschuldet, komme ich heute um acht los.

Ich schlurfe auf den Crogs ins Dörfchen und gucke wo es denn was Gescheites gibt. Upps, da lockt jemand mit einer regionalen Fischsuppe. Das finde ich erstaunlich, weil ich -selbst wenn ich intensiv nachdenke- keine Fischsuppe mit Süßwasserfischen kenne. Fischsuppen gibt es am Meer. Also hin da. Gepflegter Eindruck. Hingesetzt. Bestellt. Und dann kam die Suppe. Und aus dieser Suppe sprach die Sozialgeschichte der Region. Es war eine Brotsuppe, in der altes Brot mit einer pimentgewürzten Brühe oder nur Wasser eingeweicht und angewärmt wird und eine Forelle oder ihre Teile mit garziehen. Voll sättigend und aus Resten das Beste gemacht. Danach gabs noch ein Kalbskotelett, wo die Hauptleistung der Köchin darin bestand einen guten Metzger aufzutreiben. Vielleicht ist das aber auch der eigentliche Job von Köchen. Sie sollten Lebensmittelexperten sein und ihren Kunden erstklassige Ware präsentieren. Sie sollten die auch angemessen zubereiten können, aber die Qualität wäre der Punkt. Kochen kann ich ja selber. Aber jemand der erzählen kann, daß das Freilandschweine aus dem Steigerwald sind und damit eine Schlachtschüssel organiert, der wäre ein guter Gastwirt. Mit Schweinen aus der Metro geht es nur ums Fressen. Mehr nicht. Mir geht es aber eben um mehr, eben auch um weniger Fleisch, um Fleisch aus bäuerlicher Landwirtschaft mit soviel Freilandhaltung wie vertretbar, mir geht es ums fünfte Viertel,, die Innereien, die Unterschenkel, den (Ochsen-)Schwanz und da sind die Menschen hier, was auch die Blicke in die Metzgereien zeigen, noch anders drauf.

Cool. Ich hocke tatsächlich an einem Ecktisch in dieser Nachtschwärmerkneipe von Hopper, aber es ist halt nichtirgendeine Metropole, sondern eine Fernfahrerkneipe. Ich sag mal so. Die haben auch keinen leichten Job. Ich leg mich jetzt hin und nach den 32km heute, winkt mir morgen ein echt kurzer Wandertag. Tranquilo…