63. Etappe: Montcuq – Lauzerte

Was war ich genervt. Wie doof. Wie blöd. Der Tag war so geplant, daß es einen dreistündigen Spaziergang geben sollte, danach gegen Mittag der Campingplatz inklusive der ausführlch gelobten Waschmaschine und ihres Trockners heimgesucht werden sollte, um danach alles für eine regional geprägte Brotzeit einzukaufen und dieses wirklich pittoresk belegene Städtchen auf sich wirken zu lassen.

Der Tag lies sich auch gut an. Lang geschlafen (drei Stunden Fußmarsch. Kindergeburtstag) und gut gefrühstückt. Dann Montcuq kurz angeschaut. Schön, aber zu klein, um eine Friseur zu haben, der auch montags aufhat. Folglich laufe ich weiter mit einer Haarlänge jenseits von 1cm rum und versuche mir Zöpfe zu flechten. Also los. Und es geht lauschig durch Weizenfelder. Gemüse wird auch angebaut, obwohl für ein fränkisch geschultes Auge nicht ganz klar war, ob das da wächst oder wirklich angebaut wird. Gegen Mittag, es war warm, habe ich, glaube ich, auch Olivenbäume gesehen. Beschwören will ich es nicht. Aber ich bin im Süden angelangt. Die Wege werden heller und das Garrique blüht noch, aber bereits deutet sich an, daß das hier im August auch alles verdörrt ist und nicht mehr so inspirierend daherkommt.

Ich erreiche meinen Zielort, der wunderschön auf einer Bergkuppe liegt, der ich nicht folge, weil ein freundliches Tourismusmanagement ein Schild Richtung Campingplatz mit der phantasievollen Bezeichnung „Camping de Lauzerte“ hat anbringen lassen, nicht ohne etwa 400m vorher, alle Wanderer und Pilger echt total herzlich willkommen zu heißen, auch per Schild. Latsch also rechts ab und werde über zwei weitere Schilder geleitet, bis ich vor dem Camping stehe, wo verkündet wird, daß der Platz wegen Umbauarbeiten echt geschlossen sei. Ja, ihr Penner, dann baut den Platz doch um, aber warum kommt niemand auf die Scheißidee, das diesen Leuten, die zu Fuß und mit dem Zelt auf dem Rücken unterwegs sind, mitzuteilen bevor die roundabout drei Kilometer mehr aufm Buckel haben? Penner. Echte Penner. Ich hab das ja noch konditionell unter Auslaufen buchen können, aber wenn du völlig genervte over 60ies aus den Niederlanden triffst, die sich den Berg hoch schleppen, kriegst du ein Gefühl dafür, wie dooof die sind. Ich bin auf jeden Fall komplett genervt, weil ich den Waschtag flöten gehen sehe. Der ist aber dringend von Nöten, weil ich mich selber nicht mehr riechen kann, um das mal so zu sagen.

Ok. Also den Berg rauf. Da steht Gite d Figuiers, die laut Reiseführer ne Waschmaschine und Chambres, was ich bislang mit Einzelzimmer übersetzt habe, anbieten. Ich frag nach Chambre, Jefe sagt „no problem“ und gibt mir den Schlüssel zu einem 5Bett-Zimmer und ich könnt mir ein Bett aussuchen. Ich bliebe alleine. Die Duschen und die Toilette wären auf dem Flur. Naja, egal. Hauptsache keine Rentner mit Atemaussetzer im selben Zimmer. Die Waschmaschine ist großartig und nach vielen Wochen halbseidener Handwäsche, kriegen die Klamotten nochmal die volle Ladung. Und trocknen in der Sonne, was mir Zeit gibt, die Stadt zu erkunden. Die ist nämlich gar nicht so klein, aber von oben nach unten gewachsen. Oben Kirche, Mairie, Grundschule und Marktplatz mit ein paar Kneipen, darunter ein Stadtteil der die Commerces vom Bäcker bis zum Schuhhändler beherbegt und ganz unten an der wichtigen Landstraße die Intermarches und Gartenläden etc. Zwischendurch Wohnbebauung und pleitegegangene Unternehmen, insgesamt eh viel a vendre Schilder. Entleerungsräume und der Sieg der grünen Wiese. Auch mein Ziel war der Intermarche, weil ich Nachschub brauchte und zwar ne neue Zahnbürste (alle vier Wochen, wisst ihr ja), n neues Deo (der letzte Alnatura-Aluminiumfrei-Stick, den mir meine Liebste ins Burgund mitgebracht hatte, ist alle) und ne neue Rasierseife, (eben keinen -schaum). Das hört sich alles so easy an, isses aber nicht. Sprachlich, kulturell kann man sich das ja mal so vorstellen, daß eine verschwitzte, des Französischen nicht wirklich mächtige Glatze im örtlichen Fachhandel vorspricht und eine deodorant sans aluminium nachfragt. Große Heiterkeit, aber kein Deo. Also Intermarche. So nahe wie hier, komme ich bei der Routenführung so einem Laden nicht mehr. Hinein. Und? Im globalisierten Einzelhandel hängt da meine auch zu Hause favorisierte Zahnbürste. Strike. Aluminiumfreier Deostick? Schwieriger. Also bei den Jungs gibts nix, aber bei den Mädels kann ich plündern. Riecht zwar nicht nach „wild water“ oder „aggressive“ aber mit Penaten und Nivea haben wir doch alle mal angefangen. Das mit dem Moschus krieg ich beim Wandern auch so hin. ☺

Die Schätze nach Hause getragen, inkl. der Rasierseife, falls sich jemand fragt, und ein wenig Ruhen ist eins und da ich das gemeinsame Pilgermahl verweigere, obwohl da eben jemand aus Neumarkt In der Oberpfalz eingecheckt hat, mit dem ich ein paar freundliche Worte gewechselt habe, ziehe ich nochmal los. Warum? Mir war ein Laden aufgefallen, wo ganz unterschiedliche Menschen abhingen, Spielzeuge vor der Tür lagen, Hunde rumlungerten, Kinder spielten, am Schild was von Concerts und Music stand und ich genau dahin wollte. Außerdem gabs da was zu essen. Kartoffelauflauf, frische Bratwurst (Achtung: Sausicce Toulouse) und Salat. Mein Ding.

Ich hab also da gesessen und vor mich hin gegessen. Wenig los, aber es geht was. Die Touris und die Einheimischen, die was wollen, kriegen was zu essen und zu trinken. Alles gut, Dann kommt der eine, dann kommt die andere, Tische werden zusammengerückt und ein Pärchen biegt mit einer großen, zugedeckten Auflaufform um die Ecke. Die Kinder freuen sich und fangen an die Tische zu decken. Und dann sitzt der Wirt und seine Lebensgefährtin mit dem Pärchen und zwei Kumpels und zwei Kindern und zwei Hunden da und sie essen zusammen, weil es einfach der Ort ist, wo genau das zusammen passieren kann. Natürlich bezahlt jeder für seinen Kaffee, seinen Wein, aber irgendwer, wahrscheinlich der Wirt, hat dafür gesorgt, daß die Kneipe ein Kraftort geworden ist, an dem sich Künstler, Menschen, Kinder, Hunde und Katzen wohlfühlen und andere zum Essen einladen, indem sie das Essen in ihrem Wohnzimmer, der Musikkneipe servieren. Jürgen von der Lippe hat das mal so auf den Punkt gebracht: „Wenn wir eine Kneipe hätten, könnten wir für immer zusammen leben.“ Das was im Deutschen Sache des Kabaretts bleibt, scheint hier irgendwie zu gehen oder auch nicht. Das ist ja eine Momentaufnahme. Das ist mir in dem Moment aber auch völlig egal. Ich genieße es und wünsche mir wieder mal eine Stammkneipe als Homebase. Mit dem Gedanken und umwölkt von frisch gewaschener Wäsche leg ich mich dann in meinen Schlafsaal. Fünf Betten. Ich kann mich garnicht entscheiden. ☺

Ein Gedanke zu „63. Etappe: Montcuq – Lauzerte

  1. Hach Klaus, dank deines wunderbaren Berichts bin ich jetzt so tief in ordnungspolitische Fragen eingetaucht wie noch nie in meinem Leben zuvor und habe kurz darauf Tränen gelacht, als du deinen Stunt, der zum Glück gut gegangen ist, so herrlich anschaulich geschildert hast.

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